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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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in schöner Regelmäßigkeit
mitbrachten. Vermutlich kursierte international das Gerücht, in Deutschland
gäbe es einen Kristallschalen-Engpass.
    Kellermanns
Sekretärin, eine Frau mittleren Alters mit dem Charme und der erotischen Ausstrahlung
einer Fahrscheinkontrolleurin, servierte Kekse und Kaffee. Kellermann nahm die
Thermoskanne, und Teetee hielt seinem Chef die Tasse hin. Seine Hände
zitterten, und die Tasse klapperte auf dem Unterteller. Egal, wie gestern
Kellermann war, er hatte einfach einen Heidenrespekt vor ihm. Die Sekretärin
ging, sie waren allein.
    »Dumme
Sache«, sagte der Chef und nahm Platz. Er schob den Teller mit den Keksen in
Teetees Richtung. »Aber kein Grund, gleich nervös zu werden. Wir wissen ja
viel. Aber wie Putzfrauen sich ihre Zeit einteilen, ist eines der großen,
ungelösten Geheimnisse des Universums.«
    Teetee
nahm einen Keks.
    »Es war
ein Zufall. Solche Dinge dürfen nicht passieren, und sie tun es trotzdem. The human
factor. War das die Frau, die Sie überfallen hat?«
    Kellermann
stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und nahm ein Foto aus der Schublade, das
er Teetee reichte. Vermutlich aufgenommen von Unit 6, der Kamera, die Teetee
auf seiner Flucht in der Wohnung zurückgelassen hatte. Teetee nickte.
    »Das ist sie.
Aber sie hatte nicht so einen Kittel an, sondern einen Spezialanzug. Und sie
hatte eine Gasflasche dabei mit...«
    Er
stockte.
    »Sauerstoff«,
vervollständigte Kellermann den Satz. Ohne Teetee aus den Augen zu lassen,
setzte er sich wieder. »Sie war da, um den Tatort zu reinigen. Ein death
scene cleaner. Was sie nachts um diese Zeit in dieser Wohnung zu
suchen hatte, entzieht sich allerdings unserer Kenntnis. Aber wir wüssten es
gerne.«
    Kellermann
nahm Teetee das Foto aus der Hand und legte es vor sich auf den Tisch.
    »Wir
müssen wissen, was sie vorhat.«
    Teetee
nickte und trank einen Schluck Kaffee. Erst als die Gesprächspause sich einen
Tick zu lange dehnte, wurde ihm klar, dass eine Antwort von ihm erwartet wurde.
    »Ja«,
sagte er.
    Kellermann
legte die Fingerspitzen aneinander und betrachtete das Foto, als wäre es eine
Aufnahme von amerikanischen Spionageflugzeugen, die irakische Aufständische mit
Stolz und Schadenfreude - beides berechtigt, wie Teetee fand - der Weltöffentlichkeit
präsentiert hatten. Sie hatten das hochgeheime »Eye in
the sky«-Programm der US-Luftwaffe mit einer einfachen
Windows-App geknackt. Die Fotos waren der Witz des Jahres gewesen, und
Originale kursierten zu Schwarzmarktpreisen.
    »Ihr Name
ist Judith Kepler. Sie arbeitet bei einer Gebäudereinigungsfirma mit Namen
Dombrowski Facility Management in Berlin-Neukölln. Alles, was wir über sie
haben, hat dir Klärchen zusammengestellt.«
    Kellermann
hatte die Angewohnheit, die Vornamen seiner jeweiligen Sekretärinnen zu
verniedlichen. Klärchen, Mariechen, Ännchen - sie ließen es in stoischem
Gleichmut geschehen, wohl wissend, dass ein Chef, der nicht viel mehr verlangte
als physische Anwesenheit, im Großraum München selten war.
    Teetee
nickte.
    »Wir
müssen die Frau finden. Aber wir wissen nicht, wo sie ist. Du musst uns
helfen.«
    Nun ging
das wieder mit dem Du los. Dann konnte es eigentlich gar nicht so schlecht um
ihn stehen.
    »Handy?«
    »Ausgeschaltet.«
    »Kreditkarten?
Bankautomat?«
    »Dein
Job.«
    Teetee
überlegte. »Ein Trojaner?«
    Das
durften sie nicht, machten es aber trotzdem. Es gab immer wieder Vorstöße, den
Einsatz von Trojanern genehmigungspflichtig zu machen. Die waren aber bis
jetzt am Veto des Innenministers gescheitert. Solange es keine einschlägigen
Vorschriften gab und man jede einzelne Onlinedurchsuchung dem Kontrollgremium
des Bundestages melden musste, bewegten sie sich in einer Grauzone.
    Kellermann
verschränkte die Arme vor der Brust und nickte. Teetee stellte seine Tasse ab.
    »Also wenn
Sie das so anordnen ...«
    »Das ist
keine Anordnung. Das ist noch nicht einmal eine Frage. Dieses Gespräch hat es
offiziell nie gegeben. Genauso wenig wie deinen Nachteinsatz in Berlin und den
Verlust der Unit 6. Du redest mit mir und sonst niemandem. Wenn du herausgefunden
hast, wo sich Judith Kepler aufhält, informierst du mich umgehend. Du bekommst
neue Legenden, und der Fall ist erledigt. Haben Sie das verstanden?«
    Teetee
zuckte zusammen. Dann nickte er rasch. Kellermanns Sprünge vom Du zum Sie und
vom Sie zum Du irritierten ihn jedes Mal. Sein Chef gab ihm das Foto.
    »Eine
Frage.«
    »Ja?«,
blaffte Kellermann.
    »Was ist
in

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