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Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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Tindirma verfolgt, und dort haben wir ihn verloren. Er ist im Hotel nicht aufgekreuzt. Und wir hätten natürlich vorher zugreifen können, aber wir wussten auch nicht, ob er das Ding dabeihat. Oder wo es ist. Wir wussten nicht mal genau, was es ist oder in welcher Form es transportiert wird. Wir wussten nur, wo es herkommt, aus welchen Forschungslabors. Und dann haben wir fast vierundzwanzig Stunden gebraucht, um den Mann wiederzufinden. Aber da war anscheinend noch nichts passiert. Der saß da Tag für Tag im Café wie bestellt und nicht abgeholt. Wir haben einen Kerl davor hingesetzt mit Funkverbindung im Ohr, und der meldete: nichts. Entweder war der blind, oder unser Mann hatte Verdacht geschöpft. Oder aber er war gar nicht unser Mann. Und da kam dann das Massaker. In der Kommune. Und da haben wir einen klitzekleinen Fehler gemacht. Den wahrscheinlich jeder gemacht hätte. Denn was war das? Eine Gruppe von Kommunisten und Hippies und Langhaarigen, politisch wirr, vier Tote, Unmengen Geld weg … klar, dachten wir, wir sind am falschen Mann dran. Also rein in die Kommune. Unsere Leute sind aber nicht reingekommen. Die hatten sich sofort abgeschottet, Presse und alles. Und Trauer. Und als rauskam, dass da eine alte Schulfreundin von mir drinsitzt, haben sie mich geholt. Ich war zu der Zeit in Spanien. Aber nachdem ich der Kommune einen Besuch abgestattet hatte und nachdem Michelle mir auch noch mal klargemacht hatte, dass Geld in Wirklichkeit gar nicht im Spiel war, dass das wohl wirklich nur ein arabischer Irrer mit Sexproblemen gewesen ist, dieser Amadou im Quadrat, da hatten wir die Spur komplett verloren. Herrlichkoffer hatte sich in Luft aufgelöst, und das kriminelle Potential dieser Hippies hätte nicht ausgereicht, einen Riegel Schokolade durch den Schweizer Zoll zu schmuggeln. Also alles abgeblasen. Ich war auch in Gedanken schon längst wieder daheim – da läuft mir dieser Araber über den Weg. An der Tankstelle mitten in der Wüste. Blutend, wirr, hilfesuchend und offensichtlich auf der Flucht. Und das war nur so eine Ahnung, dass ich dich da eingesammelt hab. Ich hab gedacht, wer weiß. Weil, dein Gerede vom Gedächtnisverlust, das war ja alles Quatsch. Meine erste Einschätzung war: Mitleidstour. Araber auf der Suche nach der weißen Frau. Neunzig Prozent. So hab ich das am Abend jedenfalls rausgemeldet. Aber ich war mir nicht sicher. Wir waren uns ganz lange nicht sicher. Und erst als Bassir dich gecasht hat… die reinste Katastrophe. Da hätten ein paar Leute hier fast ihren Job verloren. Hundert Mann um dich rum, und die stopfen dich einfach in den Kofferraum. Ich hab noch nie so viele Trottel auf einem Haufen gesehen. Alles Amateure. Unser ganzes Team. Wir hatten ja keine vierundzwanzig Stunden, das zusammenzustellen und in die Wüste zu karren. Ich hab nicht mal einen Flug gekriegt, ich musste mit dem Schiff von Spanien kommen. Zwei andere sind in New York hängengeblieben. Und allein, was sich unser kleiner Thoraschüler alles geleistet hat! Der Zettel für die Praxis, ich bin ja fast gestorben, als ich das aus dem Briefkasten gefischt hab. Schnupperpreise! Und so ging das die ganze Zeit. Du hast, denke ich mal, keine Vorstellung davon, was es bedeutet, im August ein Kommando zusammenzubauen. Zwei von uns können nicht mal Französisch. Einen Arabisch-Übersetzer hatten wir gleich gar nicht, da mussten wir aus Belgien noch einen einfliegen, der liegt jetzt mit Magen-Darm-Grippe im Hotel. Unser Funker ist schwerhörig, kommt aus Iowa und hat die ersten 48 Stunden geglaubt, dass er in Libyen operiert. Zwei sind auf der Suche nach der Mine fast verdurstet. Und Herrlichkoffer war schon tot, bevor wir ihn überhaupt verkabeln konnten. Ein kleines Missgeschick. Und so weiter. Und dass Bassir dich wegfischt – wie gesagt. Ein unglaubliches Gestümper. Aber dass du dich dieser Brigade von Stümpern immer wieder vertrauensvoll in die Arme geworfen hast, sollte dir auch klarmachen, dass du nicht der hellste Stern am Himmel bist.»
    Helen tippte die Asche an ihrer Zigarette ab und lächelte. Es war das gleiche sachliche Lächeln, das sie auf der Terrasse des Bungalows gelächelt hatte, als sie sich nach ihren gymnastischen Übungen zu Carl umgedreht hatte und ihm zum ersten Mal klargeworden war, dass er sie liebte.
    «Glaub mir, ich habe jeden Tag gebetet, Himmel, hab ich gebetet, lass ihn bitte exakt so dämlich sein, wie er aussieht. Keiner hat damit gerechnet. Dreimal», sie hob drei tautologische

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