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Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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der Unterschied zwischen einer englischen und einer jugoslawischen Mine ist? Also verkauf mich nicht für blöd. Weil: Ich bin nicht blöd! Dein Gesicht stinkt zum Himmel. Ich kenn dich. Ich kenn Typen wie dich. Soll ich dir sagen, wer du bist? Du bist ein Intellektueller. Ein Scheißintellektueller, einer von diesen verblödeten Kommunisten, der zu viel von dieser französischen Rollkragenpulloverscheiße gelesen hat und jetzt irgendwas in die Luft jagen will. Ein Abgedrehter. Ich kenn Abgedrehte. Und du bist ein Abgedrehter. Ein Hobbyterrorist.« Er lockerte seinen Griff und fuhr etwas ruhiger fort: «Aber mit Eiern in der Hose. Und jetzt willst du eine Mine mit Wums, und ich sag dir was. Wenn du versuchst, in dieser kleinen, beschissenen Stadt hier deinen kleinen, privaten Rachefeldzug gegen den Imperialismus zu starten, wenn du irgendwas in die Luft jagen willst, ich meine, wenn du nichts anderes im Kopf hast, als hier irgendeine kranke Scheiße zu starten und Hunderte von Arabern in die Luft zu sprengen und die ganze Stadt in einem Flammenmeer zu ertränken – meine Unterstützung hast du.»
    Langsam entspannten sich Risas Gesichtszüge. Er stieg wieder von Carl herunter, putzte sich den Staub von den Knien und setzte sich zurück an den Tisch. «Aber lüg mich nicht an. Lüg mich um Gottes willen nicht an. Und setz dich. Setz dich. Du kannst von Glück sagen, dass dieser ‹Junge› dich zu mir geschickt hat und nicht zu irgendeinem Irren. Wenn ich nämlich eins nicht abkann, ist das, wenn man mich anlügt. Verstanden? Also setz dich.»
    Carl knöpfte sich den Hemdkragen wieder zu, ordnete seinen Kopfverband und setzte sich. Er schwieg.
    «Nur dass ich nicht mit Waffen handle. Sodass ich dir in diesem speziellen Punkt leider nicht behilflich sein kann. Was ich mich aber frage, ist – rein hypothetisch, weil, du willst ja nichts, und ich verkaufe auch nichts – aber wenn einer so dringend eine Mine braucht, warum macht er es dann nicht wie alle anderen und geht dahin, wo die Minen sind, und schraubt eine ab? Du weißt, wo Süden ist? Wo die Sonne steht. Da gehst du hin und schraubst fünf Claymore von jedem Pfahl.»
    Er wies mit einer Kopfbewegung auf einen Mann, der in vorgebeugter Haltung ein paar Tische weiter saß und mit dem Mund aus seiner Suppentasse schlürfte. Der Mann hatte keine Arme.
    «Vielleicht deshalb», sagte Carl. «Und das ist dann das Beste, was es gibt?»
    «Die Claymore? Nein.»
    «Also gut. Nehmen wir mal an, jemand hat Glück. Und schraubt das Beste ab, was es gibt. Und will es verkaufen. Was würde der da etwa verlangen?»
    «Zweihundert.»
    «Dollar?»
    «Für dich hundertfünfzig.»
    «Und was ist das dann?»
    «Panzermine. Mit Hohlladung. Magnetauslöser.»
    «Und das ist das Teuerste, was es gibt?»
    Risa wurde wieder unruhig. Er sah sich im Lokal um. «Was zum Schinder hast du vor? Ist dir hundertfünfzig nicht genug?»
    «Ich dachte, es müsste noch irgendwas Wertvolleres geben.»
    «Wertvoll? Eine wertvolle Mine?»
    Aus kürzester Entfernung starrte Risa Carl ins Gesicht. Bisher hatte er sich nicht allzu viele Gedanken gemacht. Der Kerl war ein Spinner. Ein Kommi. Oder ein Hilfspolizist. Jedenfalls zu blöd, um gefährlich zu sein. Aber irgendetwas schien doch nicht zu stimmen mit dem Mann. Was um Gottes willen wollte der Kerl in die Luft sprengen?
    «Bist du sicher, dass du eine Mine brauchst und keine Atombombe?»
    «Ich kann dir nicht sagen, was ich brauche. Ich brauche wirklich nur die Information … was das kostet.»
    «Dann bist du ja jetzt zufrieden.»
    «Da werden die Hersteller auch nicht reich, oder?»
    «Was denn für Hersteller?»
    «Von Minen.»
    «Es gibt auf dem ganzen beschissenen Kontinent keinen Hersteller von Minen. Was kratzt dich das?»
    «Ich frag nur. Ich dachte, es müsste noch irgendwas anderes geben. Aber hundertfünfzig –»
    «Oh, Mann», sagte Risa und legte Carl eine Hand auf die Schulter. Er sprach jetzt ganz leise, fast flüsterte er. «Ich will dir mal was sagen, mein Freund. Weil, du bist mein Freund. Wir trinken hier einen herrlichen Holzschnaps zusammen. Und dein Hirn ist offenbar nicht größer als eine Erbse. Und ich sage dir: Ich, Risa, genannt Khach-Khach, handle nicht mit Waffen. Bei mir gibt es nichts zu kaufen. Aber wenn du eine Mine kaufen willst, dann zahlst du nicht mehr als zehn Dollar. Ist das klar? Du kriegst sie auch für fünf. Oder noch weniger. Panzer, Antipersonen, egal. Nur die neue Claymore mit Fernzünder – zehn.

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