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Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Titel: Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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übrigens weitaus häufiger als in Gallien) dann freiwillig. Dann kämpft er auch nicht vorrangig mit seinen Waffen, sondern mit magischen Riten. Aus dem alten Irland wird berichtet, dass Druiden in Imitation des heiligen Kranichs auf einem Bein um die kämpfenden Heere herumhüpfen und mit ausgestrecktem Arm auf die Krieger zeigen. Weitere Arten der druidischen Teilnahme an Kampfhandlungen sind die Beruhigung aufgebrachter Krieger durch monotone Gesänge oder das Irremachen von Feinden, indem sie ihnen trockenes Gras ins Gesicht werfen.
    Eine der wichtigsten Funktionen – konkret die, die sie in den Augen der jeweiligen Stammesführer nahezu unentbehrlich macht –ist die Vorhersage der Zukunft; im Großen die der Existenz des Stammes, im Kleinen vielleicht auch nur der Ausgang der nächsten Schlacht. Meist geschieht dies durch die Beobachtung und Deutung des Vogelflugs oder auch des Vogelschreis (wobei »Vögel mit Stimme« – zum Beispiel Taube und Rabe – als heilig gelten). Zukunftsbetrachtungen anhand von Menschenopfern sind zumindest in Gallien die Domäne der Frauen. Und sie sind offenbar gut in dem, was sie tun, denn bei aller Verfolgung der Druiden bedienen sich römische Feldherrn auch nach der Unterwerfung Galliens bevorzugt gallischer Wahrsager innen .
    Ihr unglaubliches Wissen prädestiniert die Druiden für verschiedene vitale Aufgaben im Alltag der Gemeinschaft. Natürlich sind sie religiöse Führer, die die heiligen Riten organisieren und ihnen vorstehen. Sie sind Mittler zwischen den Menschen und den Göttern, aber nicht nur zwischen diesen. Keine stammesübergreifende Verhandlung, keine Kriegserklärung, keine Friedensverhandlung findet ohne Druiden statt. Ihr Wort beendet Stammesauseinandersetzungen, wenn sie der Meinung sind, dass das göttliche Gleichgewicht wiederhergestellt ist. Sie sind die Diplomaten der Kelten und wirken somit als Mechanismus zur Schadensbegrenzung, als Schutz vor sinnlosem, die Existenz eines Stammes bedrohendem, gegenseitigem Abschlachten. Ein unverzichtbares Korrektiv in einer heißblütigen, leidenschaftlichen Kriegergesellschaft, nicht auf der Grundlage eines von Menschen geschriebenen Gesetzbuches, sondern einzig und allein aufgrund des göttlichen Rechts.
    Hat jemand etwas verbrochen, zum Beispiel jemanden getötet, dann hat er keine Straftat im herkömmlichen Sinn begangen, sondern er hat vor allem das heilige Gleichgewicht gestört. Das delegiert die Funktion des Richters quasi automatisch an die Druiden, dessen Aufgabe nicht primär die Bestrafung des Schuldigen, sondern die Wiederherstellung des Gleichgewichts ist. Im Falle eines Mordes ist die Hinrichtung des Mörders zwar in der Regel die logische Konsequenz, stellt allerdings nicht dessen Bestrafung dar. Sie ist vor allem Dienst an der Gemeinschaft, die Abwendung von Unheil, das aus der Störung des Gleichgewichts herrührt. Da dieses oberste Priorität hat, ist es nicht unüblich, dass in Ermangelung des wahren Schuldigen auch ein Unbeteiligter den Preis für die Gemeinschaft bezahlt. Für Missetäter, die aus niederen Beweggründen Schaden an der Gemeinschaft verursacht haben, verhängen die Druiden die härteste Strafe überhaupt: Sie werden von den Stammesriten ausgeschlossen. Für den vielleicht kriminellen aber nichtsdestoweniger streng religiösen Kelten eine Katastrophe.
    In den nordwesteuropäischen Siedlungsgebieten führt eine besondere Bestrafungsmethode dazu, dass es ausgerechnet Verbrecher sind, die als Botschafter einer vergangenen Kultur in unsere Zeit reisen. Aus Germanien überliefert und bei den Kelten ebenso verbreitet: Feiglinge und Psychopathen, die sich an Mitgliedern der Gemeinschaft vergehen, werden unter Flechtwerkgittern im Sumpf ertränkt, wo sie letztlich als Moorleiche konserviert werden.
    Die Druiden sind nicht nur religiöse Führer und Richter, sondern auch Heilkundige, Beobachter der Gestirne und selbstverständlich auch Lehrer, und zwar sowohl für die Nachkommen der Druiden als auch für die Söhne der hohen Krieger eines Stammes. Denn auch denen kann es nicht schaden, wenn sie grundlegende Kenntnisse auf dem Gebiet der Heilkunde haben und sich in der Wildnis am Stand der Sonne, der Sterne und der Bemoosung der Bäume orientieren können.
    Innerhalb des Druidenstandes gibt es Abstufungen. Die oberste Ebene bilden die Druiden ( dru vid = »der, der den Eichenbaum kennt«), also die, die in der direkten Tradition der ursprünglichen wandernden Heiligen stehen. Es ist die

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