Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
Wickelröcke.
Schmuck ist jetzt auch mehr als reines Accessoire. Zweck und Form gehen eine enge Verbindung ein. Zum einen verschmelzen Kreativität und Funktionalität: Fibeln werden zu wahren Kunstwerken. Ihre Bedeutung geht über das zweckgebundene, schon gestaltete Schmuckstück hinaus. Der religiöse Kelte betrachtet sie als Schlüssel für den ungehinderten Übergang in die Andere Welt und zurück. Hieraus zeigt sich ein weiteres Mal die praktische Denkweise der Kelten – und letztlich auch ihr schwarzer Humor. Wird einAngehöriger der Gemeinschaft zu Grabe getragen, der sich nicht der uneingeschränkten Beliebtheit derselben erfreut hat, entfernt man seine Brosche vom üblichen Ort – an der Kleidung – und platziert sie an anderer Stelle, bei den Füßen zum Beispiel. Denn was kann es Unangenehmeres geben, als vor dem Eingang zur Anderen Welt zu stehen und unter den Augen der göttlichen Wächter nach dem Schlüssel suchen zu müssen …
Generell gilt: Mit Schmuck trägt man Wohlstand und Status nach außen. Bei denen, die es sich leisten können, dominieren Gold, Bernstein und Koralle, und zwar bei Männern wie auch bei Frauen. Die Schmuckmode ist im Laufe der Jahrhunderte einem Wandel unterworfen. Im 5. vorchristlichen Jahrhundert, also zu Beginn der La-Tène-Zeit, trägt die Frau zwei Fußringe, zwei Armbänder und eine Halskette. 100 Jahre später sind es vier Fußbänder, dafür lässt man die Halskette weg. Ab 250 v. Chr. kommen die Fußreifen aus der Mode, stattdessen tauchen Gürtel aus fein gearbeiteten Bronzekettengliedern auf. Zur selben Zeit verschwinden die Bronzearmbänder und machen Platz für hochqualitative Glasspangen in der aktuellen Modefarbe Kobaltblau. Eine lokale Besonderheit der Britischen Inseln sind Armbänder aus Schwarzschiefer.
Frauen zeigen mit Schmuck jedoch nicht nur Wohlstand und Status, sondern auch ihre Verfügbarkeit am Heiratsmarkt. Trägt eine Frau zwei Fibeln an der Kleidung, ist sie Single, durch drei Fibeln signalisiert sie ihren Status als Ehefrau und gegebenenfalls auch Mutter.
Nur wirklich wohlhabende Haushalte können sich einen Gegenstand leisten, der heute zum Alltag gehört, aber durch alle Jahrtausende seiner Existenz hindurch mit Magie und mystischen Kräften in Verbindung gebracht wird. Spiegel aus Eisen oder Bronze mit einer polierten Vorder- und einer kunstvoll verzierten Rückseite sind aufgrund ihrer aufwändigen Machart jedoch eher Kult- als Gebrauchsgegenstände.
Mode erstreckt sich allerdings nicht nur auf die Kleidung, sondern auf das gesamte Erscheinungsbild. Fettleibigkeit ist nicht nur verpönt. Wer seinen Gürtel nicht mehr wie üblich schließen kann, dermuss Strafe zahlen. Diese Regel gilt aber nur bei Männern (was im Umkehrschluss nicht heißt, dass beleibte Frauen dem keltischen Schönheitsideal entsprechen). Sie hat auch wenig mit Eitelkeit zu tun. So will die Kriegergesellschaft sicherstellen, dass der Kampfgefährte, auf den man sich im Ernstfall verlässt, auch die notwendige Beweglichkeit hat.
Körperbehaarung wird wie auch schon in der Hallstattzeit als lästig empfunden. Man rasiert sich nicht nur die Wangen und lässt nur den oft beschriebenen, berühmten, überdimensionalen Schnauzbart stehen, sondern enthaart regelmäßig auch Brust, Arme und Beine. Dabei schnippelt man nicht mit dem erstbesten Werkzeug an sich herum, was man gerade zur Hand hat, sondern verwendet eiserne Rasiermesser und Federscheren. Frauen tragen das Haar lang, zu besonderen Anlässen stecken sie es mit Haarnadeln zu komplizierten Frisuren hoch.
Der gallische und vor allem britische Kelte seiner Zeit malt sich außerdem blau an oder tätowiert sich, und zwar Männer wie auch Frauen.
Die Kelten scheinen also nicht im Geringsten bereit zu sein, die vorherrschenden Klischees von den unzivilisierten Barbaren zu bedienen. Dazu wohnen sie auch nicht in Erdlöchern oder im Wald, sondern in stabilen Häusern und in wohlstrukturierten Siedlungen. Speziell im 2. vorchristlichen Jahrhundert entstehen im Zuge der Zentralisierung der Stammesverwaltungen regelrechte Großstädte. Bibracte in Zentralfrankreich, die Stammeshauptstadt der Aedui, bedeckt 135 Hektar; das schon erwähnte Manching bei Ingolstadt hat sogar 380 Hektar.
In den Köpfen der Kelten brennt nicht nur das Feuer des religiösen Fanatismus, sondern es sprühen auch die Funken eines unglaublichen Erfindungsgeistes. Dieser, gepaart mit handwerklichem Geschick, sorgt dafür, dass die Kelten nicht nur
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