Herrscher
uns beeilen.«
Zna-yat nahm den Marsch sofort wieder auf, und die restlichen Orks schlossen sich ihm an. Dar blieb stehen und wartete, bis Nir-yat zu ihr aufgeschlossen hatte. Als sie sich trafen, ließen sie die anderen passieren, um sich dem Ende der Kolonne anzuschließen. Dann erst berichtete Dar von ihrer Vision.
»Dann hat Muth’la dir also eine Warnung geschickt«, sagte Nir-yat, als Dar fertig war.
»Hai. Der Pass wird nicht rechtzeitig blockiert sein. Die Washavoki-Söldner können ihn benutzen.«
»Kannst du Auk-goth nicht vorausschicken?«, fragte Nir-yat. »Er ist kräftig und schnell.«
»Ich glaube, er wird zu spät kommen.«
»Soll er es nicht wenigstens versuchen?«
»Etwas macht mir Sorgen«, sagte Dar. »Die Söhne der Tok-Sippe würden meinem Befehl zwar gehorchen, aber ein solcher Gehorsam könnte auch ein Fehler sein: Wenn die Lage sich ändert, muss sich auch unsere Vorgehensweise ändern.«
»Und dann würde ihnen deine Klugheit fehlen, die sie anleitet.«
»Hai. Meinem Gefühl nach muss ich dort sein, Nir. Es ist wichtig.«
Nir schaute ihre Schwester kurz an, dann sagte sie mit leiser, trauriger Stimme: »Der Grund dafür sind Lama-toks letzte Worte.«
»Meine Vorgängerin ist gestorben, damit ich hier sein kann. Vielleicht werde auch ich aufgerufen, ein Opfer zu bringen.«
Nir-yat nahm Dars Hand. »Ich kann dir keinen Rat anbieten, Schwester, nur Liebe.«
Dar lächelte. »Liebe brauche ich am meisten.«
Sevren hatte Dars Worte zwar verstanden, doch seine Verblüffung wurde nicht geringer. Nachdem er eine Weile hinter Zna-yat hergezockelt war, fragte er in gebrochenem Orkisch: »Woher weiß Muth Mauk das alles, Zna-yat? Als ich mit ihr gesprochen habe, hat sie nichts über den Pass gewusst. «
»Muth Mauk hat Visionen«, erwiderte Zna-yat.
»Was bedeutet das Wort?«
»Muth’la spricht zu ihr. Sie hat es schon früher getan. Manchmal kann Muth Mauk sehen, was erst noch passiert.«
Dar ist eine Seherin?, dachte Sevren. Irgendwie überraschte es ihn nicht. »Was sagt Muth’la zu ihr?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Zna-yat. »Muth’la spricht zu Müttern, nicht zu Söhnen. Ihre Empfehlungen sind nicht für uns bestimmt.«
Sevren fiel wieder hinter Zna-yat zurück, denn es war einfacher, in der von ihm gebahnten Spur zu gehen. Er trottete weiter und überdachte Dars Gabe mit einem Gefühl von Ehrfurcht. Er legte eine ziemliche Strecke zurück, bis Zna-yat sich an ihn wandte. »Sevren?«
»Hai?«
»Die Washavoki-Königin hat die Nacht in meinem Unterstand verbracht. Sie hat ein Blatt gekaut, deswegen ist sie nicht aufgewacht.«
»Ja?«
»Heute Abend kaut sie kein Blatt. Wenn du einverstanden bist, bitte ich meine Schwester, die Königin zu fragen, ob sie bei dir schlafen will. Ich glaube, das gefällt ihr besser.«
Sevren erfasste das Wesentliche von Zna-yats Aussage und verstand, warum er ihn um Hilfe bat. Er glaubt, dass Girta stinkt. Er fragte sich, was die Königin wohl von dieser Vorkehrung hielt. Vielleicht bin ich ihr lieber als ein Ork. »Wenn die Mütter sagen, es ist gut, ist es auch gut für mich.«
»Shashav, Sevren.«
Gegen Mitternacht, als die Kolonne wieder eine Flussbiegung erreichte, ordnete Dar eine Rast an. Sie fanden einen Platz, der so eben war, dass man ein Lager aufschlagen konnte. In der Umgebung wuchsen Bäume und struppige Büsche, doch Nir-yat wies die Söhne an, die Büsche zu beseitigen. Sevren war überrascht, als sie das Kommando übernahm, denn sie handelte mit mehr Kompetenz und Autorität als jeder Murdant, den er kannte. Als er sich um sein
Pferd kümmerte, ließ Nir-yat von anderen Söhnen Holz sammeln. Bald brannte ein Feuer. Die Söhne stellten Kessel mit Wasser auf die Flammen, malten Muth’las Umarmung in den Schnee und bauten im Inneren des heiligen Kreises Unterstände auf.
Während all dies geschah, saß Dar still auf dem Stamm eines umgestürzten Baums. Sie wirkte so müde und melancholisch, dass Sevren sich fragte, ob die Visionen sie auslaugten. Er war mit ganzem Herzen bei ihr und merkte, dass er nicht der Einzige war. Alle Orks schienen so gerührt zu sein wie er; man konnte es ihnen am Gesicht ansehen. Dar war offenbar zu müde, um es zu bemerken.
Als das Wasser in den Kesseln kochte, wurde Grütze gekocht und Kräuterwasser gebraut. Dar stand auf und sagte, die Mahlzeit sei Muth’las Geschenk, doch Nir-yat servierte sie. Nach dem Essen verschwand Dar in Kovok-mahs Unterstand. Sevren empfand gerade
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