Herrscherin des Lichts
ungezogenes Kind. „Entschuldige. Ich habe nicht besonders gut geschlafen.“
„Hat der Suchtrupp etwa deine verloren gegangene Schülerin noch nicht wieder zurückgebracht?“ Sie schnippte einen unsichtbaren Fussel von ihrer Schulter. „Nun, ich bin sicher, sie wird früher oder später auch allein wieder nach Hause finden.“
„Sie ist zurück, ohne die Hilfe deiner Soldaten. Aber es war dennoch ein sehr unerfreulicher Zwischenfall für mich, und ich wünsche nicht, dass sich so etwas wiederholt.“ Er betrachtete eingehend das zu seiner Rechten in einer Ecke stehende, kunstvolle Schreibpult, auf dem sich diverse mit dem Siegel der Gilde versehenen Pergamente stapelten, und hoffte, Mabbs Blick würde seinem folgen.
„Aber Garret, würdest du sie wirklich ihrer einzigen Leidenschaft berauben wollen, nur damit du nachts beruhigt schlafen kannst?“ Ein mütterlicher Tonfall begleitete ihre Worte.
Die Frage diente keinesfalls dem Zweck, ihm ins Gewissen zu reden, sondern um ihn zu reizen, das wusste Garret. „Wir haben das doch schon alles besprochen. Sobald sie meine Gefährtin ist …“
„Nur, dass sie noch immer nicht eingewilligt hat, nicht wahr? Weder das, noch hast du deine Wahl öffentlich bekannt gegeben.“ Sie machte eine abfällige Handbewegung. „Wenn du nur hierhergekommen bist, um dich mit mir zu streiten …“
„Ich will mich nicht mit dir streiten. Ich bin hier, um deine Erlaubnis einzuholen, als Oberhaupt der königlichen Familie, sodass ich Ayla offiziell als meine Erwählte bekannt geben kann.“ Hätte er die Macht gehabt, für einen Moment die Zeit anzuhalten, so würde er sie jetzt gebrauchen, um diesen kolossalen Anblick noch etwas länger genießen zu können. Wie Mabbs Fassade auf einmal Risse bekam, was äußerst selten geschah, und ihr vor Wut und Entsetzen unwillkürlich die Kinnlade herunterklappte.
Als sie schließlich zu einer Antwort ansetzte, verhaspelte sie sich mehrmals, bevor es ihr gelang, einen zusammenhängenden Satz zu bilden. Dabei presste sie eine Hand gegen ihre Brust, als leide sie fürchterliche Schmerzen. „Sie ist eine Gewöhnliche.“
„Es existieren keine Richtlinien dafür, mit wem ein Adliger eine Bindung eingehen kann, abgesehen davon, dass der gewählte Gefährte kein Sterblicher sein darf, und Ayla ist keine Sterbliche.“ Garret hatte etliche Stunden damit zugebracht, über der Schriftrolle der Erbfolgestatuten zu brüten, und könnte, wenn es sein müsste, ganze Passagen daraus rezitieren, falls seine Schwester die Diskussion auf die Spitze treiben sollte.
„Aber halb sterblich!“, erboste sich Mabb, ihr Gesicht nahm eine ungesunde rosa Farbe an. Die feingliedrigen Fühler rechts und links an der Oberseite ihrer Stirn summten und glühten in einem pulsierenden Rot, und sie fuhr automatisch mit der Hand darüber, um sie glatt zu streichen, die Scham über ihren entwürdigenden Kontrollverlust lenkte sie für einen Augenblick von ihrem Zorn ab. „Es tut mir leid, Garret. Ich verbiete es.“
„So, so.“ Garret zuckte mit den Achseln und begann in einem weiten Kreis langsam um seine Schwester herumzugehen. „Ach, das macht nichts. Ich werde mein Anliegen dem Konzil vortragen. Sie sind deiner ständigen Exzesse überdrüssig geworden, Mabb. Sie werden die Statuten der Erbfolge lesen und nichts finden, was es an meiner Wahl auszusetzen gäbe. Das täten sie nicht einmal, wenn ich beabsichtigen würde, mich mit einer Zwergin einzulassen, so begierig sind sie darauf, dich in deinen Beschlüssen zu überstimmen. Würde dir das gefallen? Eine Halbzwergin, die nur darauf wartet, nach deinem Ableben den Thron der Lightworld zu besteigen?“
Mabb wirbelte herum, die Fäuste in ihre Hüften gestemmt, und starrte ihn wutentbrannt an. „Das wagst du nicht! Wir sind die einzigen der Linie unserer Mutter, die noch übrig sind! Nur eine wahre Königin kann den Thron beanspruchen, und du willst dieses … dieses gewöhnliche Flittchen an meine Stelle treten lassen?“
Plötzlich seinerseits außer sich vor Zorn, gab Garret ihr eine schallende Ohrfeige. Ein leuchtend roter Abdruck prangte auf ihrer pfirsichzarten Wange, und in ihren Augen blitzte offene Feindseligkeit auf. „Was erlaubst du dir, mich zu schlagen!“
„Was erlaubst du dir, mich dazu zu provozieren.“ Er wandte sich ab, bevor er noch einmal die Beherrschung verlieren konnte, denn wenn er jetzt anfing, auf sie einzuschlagen, würde er vermutlich nie mehr aufhören. „Denkst du, es
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