Herrscherin des Lichts
Gildenmeister, hatte sie hergeführt, damit sie ihrem alten Leben außerhalb der Lightworld entsagen und ihre ewige Treue zur Königin der Elfen geloben konnte. An diesem Tag, als sie zum ersten Mal richtiges Gras unter ihren Füßen spürte, zum ersten Mal das Sonnenlicht ihr Gesicht wärmte, hatte sie sich nicht träumen lassen, dass sie eines Tages die Gefährtin des Bruders dieser Königin sein würde.
„Es ist wundervoll, nicht wahr?“, flüsterte Garret ehrfürchtig, während sie durch den steinernen Torbogen gingen, der den Eingang zum Refugium bildete. Anderswo in der Lightworldwar es noch immer Nacht. Das Tageslicht, aus der Oberwelt entliehen, fand seinen Weg erst bis nach hier unten, lange nachdem es die klobigen Turmbauten der Menschen in goldenen Schein gehüllt hatte. Das ausgedehnte Metallgitter, das die Öffnung oberhalb des Refugiums bedeckte, ließ das Licht nach seinen eigenen Regeln hindurch, nur nach und nach, ganz langsam. Ein dünner weißer Schleier wand sich um die Äste und Stämme der Bäume, und von irgendwoher aus dem Inneren des kleinen Waldes drang das Plätschern eines Baches.
Breite morsche Stufen, die tückisch und glitschig waren, führten hinunter zur Wiese, und Garret half Ayla, darüberzubalancieren. Sie blieben an einer flachen Erhebung aus Beton stehen, um ihre Schuhe auszuziehen, damit sie das Kitzeln der Grashalme an ihren Füßen und die Kühle des Erdbodens darunter genießen konnten. Ayla blickte zu dem schummrigen Licht hoch, das durch die Gitter fiel, und schnupperte in der Luft. Sie war nicht klar und frisch, aber frischer als in den stickigen Tunneln. Es würde wie immer ein Schock sein, dorthin zurückzukommen. Das wusste Ayla aus Erfahrung. Wenn du noch nie saubere Luft geatmet und echtes Sonnenlicht gesehen hast, dann ist all das erst einmal viel zu schön und zu grell. Kehrst du aber danach zu dem zurück, was du vorher gekannt hast, wirkt es auf einmal trist und dunkel, und es wird nie wieder so für dich sein, wie es war.
Wenn sie dieses Mal das Refugium verlassen würde, hätten die Dinge sich wieder geändert, mehr als je zuvor. Bei ihrem ersten Besuch war sie als Flüchtling gekommen und als Einwohnerin der Lightworld herausgegangen. Jetzt kam sie einsam und würde mit demjenigen, der seit fünf Jahren ihr ständiger Begleiter war, als ihrem rechtmäßigen Gefährten an ihrer Seite gehen.
„Du wirst sehen, bald schon werden wir erneut hierherkommen und um die Segnung unseres Nachkommen bitten“, sagte Garret leise und legte dabei eine schützende Hand auf AylasBauch, als würde darin bereits ein Baby heranwachsen.
Das war etwas, woran Ayla bis jetzt überhaupt keinen Gedanken verschwendet hatte. Elfen pflanzten sich nur dann fort, wenn sie es wollten, nicht aus der Notwendigkeit zur Erhaltung ihrer Art. Wie auch immer, noch war es nicht so weit, und sie schob diese Sorge in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins. Sie sollte sich heute nicht mit Eventualitäten belasten, die vielleicht eines Tages eintreten mochten, wenn sie sich auf weit angenehmere Dinge in der Gegenwart konzentrieren konnte.
„Warst du schon einmal dort oben?“, fragte Garret und zeigte zu den Gittern hinauf, die das Refugium von der Oberwelt trennten. „Es ist herrlich.“
Sie wandte sich ihm zu, unsicher, warum er diese Frage stellte, gleichzeitig hoffend, es sei als Einladung gemeint.
Er nickte ermunternd. „Geh nur. Ich warte hier auf dich.“
Obwohl es höflicher gewesen wäre, bei ihm zu bleiben – Aylas Neugierde war einfach zu stark. Zögernd öffnete sie ihre Flügel, zuerst nur ein wenig, und ließ sie unentschlossen einige Male leicht vibrieren, ehe sie sie ganz ausbreitete und in die Luft emporflatterte.
Das Gefühl, immer höher und höher zu fliegen, ohne von niedrigen Tunneldecken aufgehalten zu werden, war unbeschreiblich. Auf vielen der alten Wandteppiche in den Hallen des Palastes wurde diese Art des Fliegens abgebildet, aber Ayla hatte sich niemals dazu hinreißen lassen, sich auszumalen, wie es wohl in Wirklichkeit wäre. Es war ein ungeschriebenes Gesetz in der Lightworld, nicht den vergangenen Zeiten nachzutrauern. Dies sollte ihr jetziges Dasein in Gefangenschaft wenigstens etwas erträglicher machen. Ayla, die im Untergrund geboren worden war, hatte es leichter gehabt als die meisten anderen, ihren Instinkt zu ignorieren, der ihr sagte, dass ihr Körper in erster Linie dazu gebaut war, sich durch die Luft zu bewegen. Während all ihrer Besuche an
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