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Herrscherin des Lichts

Herrscherin des Lichts

Titel: Herrscherin des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Armintrout
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diesem Ort hatte sie nicht ein einziges Mal auch nur in Erwägung gezogen, dessen Weitläufigkeitzum Fliegen zu nutzen. Würden ihr nach dieser Erfahrung die wenigen Flügelschläge, mit denen sie sich vorher lediglich etwas Zeit gespart hatte – zu einer Tür hinauf oder über einen Wassergraben, um nicht durch die verstreuten Grüppchen anderer Besucher zu müssen –, noch ausreichen?
    Doch es war eine trügerische Freiheit. Obwohl die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in diesem Moment zwar geringer waren als sonst –, sie schwebte inzwischen hoch über den Baumwipfeln – sie existierten nach wie vor. Bald schon hatte Ayla die Gitter erreicht und steckte ihre Finger durch das metallene Netz. Abgeschnitten von der Welt der Menschen durch Metallstäbe und dem halben Teil ihres Blutes. Wie es wohl sein würde, wenn sie als richtiger Mensch geboren worden wäre? Sie hatte sich oft vorgestellt, wie ihr Leben als reinrassige Elfe hätte sein können, aber niemals die andere Möglichkeit.
    Garret rief ihr etwas zu, und sie schaute nach unten. Ein Mensch in ihrer Lage würde abstürzen und sein zerbrechlicher Körper beim Aufprall zerschmettert werden. Sie faltete ihre Flügel zusammen und ließ das Gitter los. Wie ein Stern, der vom Himmel fiel – was, wie man ihr erzählt hatte, tatsächlich einmal geschehen war –, sauste sie abwärts, ihr Magen drehte sich um, und ihre Glieder ruderten wie von selbst Halt suchend in der Luft umher. Der Boden schien viel weiter weg zu sein, wenn sie die Augen zumachte, und sie fragte sich, was passieren würde, falls sie sich nicht im letzten Augenblick rettete. Würde sie tot sein, noch bevor die Heiler am Unfallort ankämen? Jedenfalls fände dann heute ganz gewiss keine Vermählungszeremonie statt, und auch die anschließende offizielle Verkündung müsste verschoben werden. Sie bräuchte mindestens eine Woche, um sich zu erholen und wieder auf die Beine zu kommen. Wenn sie überlebte.
    „Ayla, hör auf damit!“
    Sie drehte sich in der Luft, riss die Augen auf, sah die Kronen der Bäume auf sich zurauschen und öffnete ihre Flügel. Derplötzliche starke Luftwirbel unter der gespannten Haut tat ein bisschen weh, aber er verlangsamte ihren Sturz, was ihr Zeit verschaffte, um sich zu sammeln. Es war nicht Garrets Stimme gewesen, die ihr da eben zugerufen hatte, doch sie konnte weit und breit niemanden sonst sehen.
    Garret sah auf, als Aylas Füße neben ihm den Boden berührten. Dass sie sich gerade wie ein Stein hatte fallen lassen und um ein Haar dabei hätte umkommen können, schien ihn nicht im Geringsten in Sorge versetzt zu haben. Wer sie auch gewarnt haben mochte, ihr Mentor konnte es nicht gewesen sein.
    Er nahm sie bei der Hand, um sie in die Mitte des Wäldchens zu führen. Hier war das Herz des Refugiums, wo sich, wie man sich erzählte, die Götter versteckt hielten und auf den Tag warteten, an dem sie gefahrlos zurückkehren und die Welt ihrer Feinde, der Menschen, in Schutt und Asche legen konnten.
    „Ich kann das Wasser hören“, sagte Ayla abwesend, ihre Fußsohlen begannen zu kribbeln, als sie den mit der Kraft der Götter aufgeladenen Boden betraten. Etwas raschelte in den Bäumen; kurz glaubte sie, ein Gesicht in den Blättern zu erkennen, ehe es im nächsten Augenblick von der Brise fortgewischt wurde. Nicht lange, und sie hatten den Ursprung des leisen Plätscherns erreicht, einen großen zerklüfteten Felsen mit einem schmalen Riss an der Vorderseite. Ein dünner Wasserschwall trat in einem leichten Bogen aus der Öffnung aus und erzeugte kleine Bläschen auf der Oberfläche des Beckens darunter. Ayla überlegte flüchtig, woher das Wasser kam, doch der Gedanke verschwand sofort wieder, ihr Geist war viel zu überwältigt von der knisternden Energie, die in der Luft lag, um sich mit irgendetwas anderem zu beschäftigen.
    Am Rand des Beckens legte Garret seine Robe ab und glitt ins Wasser. Er verzog das Gesicht, als die milde Strömung, die das Eintauchen seines Körpers verursacht hatte, an seinen Flügeln ziepte.
    Ayla kniete sich hin und betrachtete ihn voller Bewunderung. Garrets Flügel waren so zart wie die einer Libelle, und auf den zerbrechlichen Häutchen lag ein regenbogenfarbener, im Licht glitzernder Film. Sie griff nach hinten, um ihre eigenen Flügel zu betasten, grobe, von einem Skelett zusammengehaltene Monstrositäten, mit gelblicher Haut überzogen, als sollten sie eigentlich zu einem Sterblichen gehören und nicht zu einer

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