Herrscherin des Lichts
Bett gehend, auf dem ihre neue Garderobe ausgebreitet lag. „Sie sind alle recht hübsch, aber keines wird deiner Schönheit wirklich gerecht, Ayla.“
Bei dieser sorgsam eingeübten Schmeichelei musste sie beinahe lachen. „Sie sind sogar sehr hübsch.“ Sie streckte die Hand aus, um eines zu berühren, doch er schob sie rasch zur Seite.
„Vielleicht solltest du dich vorher ein wenig frisch machen“, schlug er vor, einen schnellen, angewiderten Blick auf ihre dreckigen, blutverkrusteten Hände werfend. „Da ist Wasser, in der Kanne auf dem Herd.“
Äußerlich gehorsam, innerlich zähneknirschend ging sie zur Kochnische und goss etwas von dem lauwarmen Wasser in die Schüssel, die danebenstand. „Du sagtest, du hast meine Sachen hierher bringen lassen. Wo sind sie?“
Sie brauchte nicht auf eine Antwort zu warten, denn sie hatte sie schon selbst entdeckt. Die wenigen Dinge, die sie besaß, waren achtlos in eine Ecke neben der Tür auf einen Haufen geworfen worden, als hoffe man, sie würden sich aus lauter Scham angesichts ihrer glanzvollen Umgebung selbst hinausbefördern.
Nachdem sie sich gewaschen und ihre abgetragenen Ledersachen ausgezogen hatte, probierte sie eines der feinen Kleider an. Dessen Erlesenheit, sowohl die hellblaue Farbe als auch die feine Webart des Stoffes, schien allerdings nur noch mehr hervorzuheben, wie derb alles an ihr im Gegensatz dazu war. Die Schwielen an den Fingern, die Narben auf ihren nackten Armen.
Falls es Garret ebenfalls auffiel, machte er nicht den Eindruck, als ob es ihn störte. „Lass mich dir helfen“, bot er an und trat hinter sie, um den Stoff an ihren Schultern glatt zu ziehen. Auch als er damit fertig war, ließ er seine Hände dort verweilen. „Dies ist das Leben, für das du ursprünglich bestimmt warst, Ayla. Hätte deine Mutter sich nur dazu entschlossen, die Bindung mit einem anderen Elfen einzugehen, wie es sein sollte, dann würdest du es schon lange führen und nicht erst jetzt mit meiner Hilfe.“
„Es ist nicht meine Schuld, so auf die Welt gekommen zu sein“, fuhr sie ihn an, bevor sie sich auf die Zunge beißen konnte.
Garret reagierte prompt und versuchte sie zu besänftigen. „Selbstverständlich ist es das nicht. Aber dennoch bleibt es etwas, was du im Hinterkopf behalten solltest. Um deine Entscheidungen … abzuwägen. Deine zukünftigen Entscheidungen, meine ich.“ Er drehte sie um und sah ihr ernst ins Gesicht. „Du hast sterbliches Blut in dir. Dadurch wirst du immer gefährdet sein, sterblichen Versuchungen zu erliegen. Verstehst du, was ich sage?“
Das tat sie nicht, zumindest nicht vollständig, aber doch ausreichend, um vage gekränkt zu sein. Trotzdem nickte sie lediglich. Aus so einem Streit würde nichts Gutes erwachsen.
Auf dem Weg zum Refugium vertrieben sie sich mit einer Unterhaltung über unverfängliche Belanglosigkeiten die Zeit. Garret kam nicht noch einmal auf ihre beschämende Abstammung zu sprechen, und er machte auch keine versteckten Andeutungen hinsichtlich ihrer kürzlichen Verfehlungen. Sie redetenmiteinander wie früher, als sie sich gerade erst kennengelernt hatten, nachdem die erste anfängliche Scheu, die jede neue Bekanntschaft begleitete, verflogen und der Freude über die entstandene Freundschaft gewichen war. Ayla fühlte sich in seiner Gegenwart so wohl, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatte. Und zwar, seit sich sein Verhalten ihr gegenüber von dem eines Mentors zu dem eines Verehrers gewandelt hatte, wie ihr in diesem Moment bewusst wurde.
Obwohl das Refugium offiziell als Stätte der Ruhe und Erholung für alle Bewohner der Lightworld galt, blieb es denjenigen verschlossen, die sich nicht mit den Elfen gut stellten, denn es war schließlich in ihrem Territorium entstanden. Es hatte damit begonnen, war Ayla erzählt worden, dass ein winziger Samen eines Baumes der Oberwelt in die Lightworld hinabgefallen sei. Regen und Sonnenstrahlen wären dann durch die Gitter, die beide Welten voneinander trennten, bis zu ihm hinuntergedrungen. Als der neue Baum zu sprießen anfing und bald weitere folgten, nahmen die Elfen dies als ein Zeichen der Alten Götter. Sie hatten sie nicht verlassen. Aus dem zufälligen, deshalb aber nicht weniger erfreulichen Irrtum der Natur wurde das Refugium, ein heiliger Ort, ein Beweis dafür, dass die Elfen nicht vergessen worden waren.
Das erste Mal, dass Ayla es betreten hatte, war vor dem Beginn ihrer Ausbildung in der Assassinengilde gewesen. Cedric, der
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