Herrscherin des Lichts
…“ Er brach plötzlich ab. „Besser, du machst dich langsam auf die Socken, wenn du heute noch in der Lightworld ankommen willst.“
Malachi wollte Keller fragen, was er vorher hatte noch sagen wollen. Falls sie verletzt war oder aus anderen Gründen Hilfe brauchte, hätte er das gern gewusst. Aber seine Ungeduld warstärker, und er schlüpfte wortlos durch die Tür nach draußen.
„Drachen sprechen Latein. Ich nehme an, das kannst du?“, rief Keller ihm hinterher.
Obwohl seine allumfassenden Sprachkenntnisse immer mehr verblassten, an diese von der menschlichen Kirche auf der Erde bevorzugte Sprache erinnerte Malachi sich gut. „Ja.“
„Sprich darin mit den Wachen an der Grenze zur Lightworld. Sie werden dich durchlassen, ohne viele Fragen zu stellen. Und nimm den Tunnel, der direkt ins Gebiet der Elfen führt, dann läufst du am wenigsten Gefahr, dich zu verlaufen. Frag jemanden auf dem Streifen, die können dir den Weg sagen.“
Malachi nickte einmal kurz, dann drehte er sich um und stapfte mit laut platschenden Schritten durch das kniehohe Brackwasser davon.
„Hey, Mac!“, schrie Keller, und Malachi schaute fragend über seine Schulter. Der Mensch lächelte. „Viel Glück.“
Während er sich auf den Weg zum Streifen machte, hoffte Malachi, das Glück möge tatsächlich auf seiner Seite sein. Bei seiner ersten Reise dorthin war er am Boden zerstört und verwirrt gewesen. Er hatte sich nicht darum geschert, ob irgendetwas aus dem Dunkeln springen könnte, um ihn zu verschlingen. Nachdem er die Elfe wiedergesehen, sie berührt und mit ihr gesprochen hatte, war in seinem Herzen der Wunsch erwacht, zu leben, in ihrer Nähe zu sein. War das die „Liebe“, die er die Menschen so oft füreinander hatte ausdrücken sehen, wenn er seine Aufgabe im Dienste Gottes erfüllte?
Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Zu viele der Beispiele, die er beobachtet hatte, waren ihm zerstörerisch erschienen. Frauen, durch ihre eigene Hand gestorben, aus Verzweiflung über eine unglückliche Liebe. Männer, die ihre Ehefrauen töteten und manchmal sogar ihre Kinder, verrückt geworden, weil eine Beziehung zerbrochen war. Das war keine Liebe.
Was er für seine Elfe empfand, war allerdings nicht wenigerverzehrend oder erschreckend. Sprach das nun für Liebe oder eher für flüchtige Schwärmerei? Liebe schien ihm die Sorte von Verbundenheit zwischen zwei Lebewesen zu sein, die viel Zeit und Pflege brauchte, um sich zu entwickeln. Demnach konnte er sie gar nicht lieben.
Vertieft in seine Gedanken und Pläne, wie er seine Elfe wiederfinden würde, bemerkte er nicht, wie nahe er dem Streifen mittlerweile gekommen war. Der einfachste Teil seiner Unternehmung lag jetzt hinter ihm, stellte er fest und spürte bei dieser Erkenntnis eine leichte Furcht in sich aufsteigen. Er tauchte in den dichten Strom der unterschiedlichsten Wesen ein, die ebenfalls zum Streifen wollten, und holte den Umhang unter seinem Hemd hervor. Doch er warf ihn nicht über, noch nicht. Zuerst musste er irgendwie den Pfad finden, der ihn in ihre Welt brachte. Es würde sicherlich als verdächtig gewertet werden und somit unerwünschte Aufmerksamkeit erregen, wenn ein Bote der Drachen, ein Bewohner der Lightworld, jemanden nach dem Weg in seine eigene Welt fragte.
Ein junger weiblicher Mensch mit glänzenden goldblonden Haaren stand neben einem langen Tisch vor einer Verkaufsbude, auf dem allerlei bunte Bänder und glitzernde Schmuckstücke ausgebreitet waren, all die vielfältigen materiellen Güter, mit denen weibliche Wesen sich gern umgaben, um attraktiver oder wohlhabender zu erscheinen als andere. Dieses Mädchen würde ihm keine Fragen stellen, sie war viel zu beschäftigt damit, ihre Waren anzupreisen.
„Entschuldige bitte.“ Er lächelte. Freundschaftliche Gesten schienen Menschen untereinander schneller voranzubringen, besonders, wenn sie Hilfe bei irgendetwas benötigten.
Das Gesicht des Mädchens erhellte sich, und für einen kurzen Moment kam sie ihm so vertraut vor, dass ein flüchtiges Prickeln über seinen Nacken huschte. Doch schon in der nächsten Sekunde fühlte er gar nichts. Sie war nichts weiter als ein Mädchen, geblendet vom Anblick eines gut aussehendenmännlichen Gegenübers. Wenn man Keller in solchen Dingen Glauben schenken durfte.
„Ja, Sir. Was darf ich Ihnen heute zeigen?“ Etwas am Klang ihrer Stimme zeugte von mehr als bloßer geschäftsmäßiger Höflichkeit.
Falls sie Interesse an ihm hatte, auf einer
Weitere Kostenlose Bücher