Herrscherin des Lichts
entdecken, das ihm den Weg wies, und wünschte, er hätte etwas bei sich, womit er seine Route markieren könnte.
Unfassbar, doch es war wirklich ein Zeichen da, genauso wie eines um seinen Hals hing. Aufgemalte Pfeile mit Symbolen daneben – eine Rose, weiter nach Süden zeigend, dort ein Baum, gen Osten geneigt, ein großes rotes X da, wo es zum Streifen zurückging – prangten an der Wand über den Tunnelöffnungen. Und hier, ihm den Weg nach Westen weisend, eine gebogene dornige Ranke, identisch mit der auf dem Anhänger, den das Mädchen ihm geschenkt hatte.
Seinen Glücksbringer fest mit den Fingern umklammernd, betrat er den Tunnel.
Alles, wonach Ayla zumute war, als sie wieder zurück in Garrets Apartment kamen – nein, ihr Apartment, ihrer beider Apartment–, war, ins Bett zu kriechen und mindestens einen Tag lang durchzuschlafen. Die Ereignisse im Refugium hatten ihr die letzten Reste ihrer Energie geraubt, doch Garret wünschte, sie umgehend Königin Mabb zu präsentieren.
„Bitte, Ayla. Sie wird überglücklich sein, dich endlich als ihre Schwester in die Arme schließen zu können.“ Obwohl er all die Ernsthaftigkeit in seine Stimme legte, die er aufzubringen in der Lage war, wusste Ayla, dass dies ganz und gar nicht der Wahrheit entsprach.
Aber sie wollte es ihm recht machen, also kämmte sie sich die Haare, ließ sie offen, so wie es die Damen bei Hofe zu tun pflegten, und legte die kostbare silberne Halskette an, die Garret ihr reichte. Während sie ihre müden geschwollenen Füße in die Seidenschuhe zwängte, die er ihr zuvorkommend bereitstellte, fragte sie sich, ob es wohl in Zukunft immer so sein würde: Geschenke für Gehorsam, ihr Unwohlsein unterdrücken und sich stets brav gefällig zeigen.
„Wenn wir schon dort sind, könnte ich bei der Gelegenheit dem Gildenmeister Bericht erstatten“, überlegte sie laut, als sie sich aus der Tür schwangen und zu Boden schwebten.
Garret machte ein verächtliches Geräusch. „Ich glaube kaum, dass das nötig sein wird. Du stehst jetzt im Rang über ihm.“
„Ja, aber ich habe auch einen Auftrag abgeschlossen.“ Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. „Meinen letzten Auftrag. Es ist meine Pflicht, darüber Rechenschaft abzulegen.“
„Meine Schwester …“
„Und ich möchte außerdem vermeiden, dass man schlecht
über dich als Mentor spricht.“ Ihn bei seiner Eitelkeit zu packen war eine ziemlich leicht zu durchschauende Taktik, andererseits hatte er selbst ihr schließlich beigebracht, dass es keine Schande war, etwas zu tun, von dem man wusste, dass es funktionieren würde.
Er lächelte. „Ayla, du kennst meine Schwachpunkte, dasmuss man dir lassen. Also, um meiner Selbstgefälligkeit willen, meinetwegen geh und berichte Cedric.“
Im Palast begegnete man ihnen mit unverhohlenen und ungläubigen Blicken, als Ayla an Garrets Seite durch die Hallen schritt. Die geflüsterten Kommentare wurden weniger geflüstert denn gezischelt, sodass man sie beim Vorbeigehen nur allzu gut verstehen konnte.
„Ich hätte nie gedacht, dass Mabb ihre Zustimmung geben würde.“
„Man stelle sich nur vor, er hätte jede haben können, und dann sucht er sich die aus.“
„Halb Mensch? Was für ein Elend.“
Sie ging mit hoch erhobenem Kopf weiter. In den vergangenen Stunden hatte sie sich gehen lassen, ihren Selbstschutz vernachlässigt, und nun verletzten die spitzen Bemerkungen sie weitaus heftiger, als sie es an einem normalen Tag je getan hätten. Sie machte ihre Müdigkeit für die Tränen verantwortlich, die ihr in die Augen stiegen, und drückte verbissen das Kreuz durch.
„Du bist wunderschön“, raunte Garret dicht an ihrem Ohr, als sie kurz vor den Türen der großen Halle langsamer wurden. Er zog sie zu sich heran und küsste eine Träne fort, die ihre Wange hinabrann. „Du bist meine wunderschöne Ayla, und ich würde dich nicht für eine Sekunde anders haben wollen.“
Es war eine Lüge, aber sie half ihr, Haltung zu bewahren, während sie die Halle betraten.
Die Berichterstattungen des heutigen Tages hatten bereits begonnen, und der Raum war wie üblich zu gut zwei Dritteln mit neugierigen Höflingen bevölkert. Die Assassine, die vor Kurzem einen Auftrag beendet hatten oder hier waren, um einen neuen entgegenzunehmen, befanden sich eindeutig in der Unterzahl, aber es waren immer noch viele. Ayla schob sich durch die Menge, um sich auf eine der Bänke in der langen Schlange zu setzen und zu warten, doch Garret
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