Herrscherin des Lichts
körperliche Schmerz, den er ihr je zufügen könnte.
Seltsam aber war, dass ihre Seelenqualen nicht von etwaigen Schuldgefühlen gegenüber Garret ausgelöst wurden, weil sie ihm Kummer bereitet hatte. Ihr Herz schmerzte um des Darkworlders willen, der mittlerweile gewiss den Tod gefunden hatte. Mabbs Häscher mussten ihn verfolgt und erwischt haben, wenn nicht schon im Elfengebiet, dann spätestens, als er versucht hatte, eine der Grenzen zum Streifen zu passieren. Doch anstatt ihn sofort zu töten, hatten sie ihn vermutlich in einen von Mabbs Kerkern geworfen, um ihn dort zu foltern. Nicht um Informationen aus ihm herauszuquetschen, sondern einfach nur zum Vergnügen. Vielleicht war sogar die Königin persönlich dabei zugegen gewesen, sodass sie sich sicher sein konnte, dass ihm keine verfrühte Gnade zuteilwurde. Erst wenn ihn zu quälen seinen Unterhaltungswert verloren hatte, weil er zu geschwächt für jegliche weitere Schmerzäußerung war, würden sie ihn sterben lassen. Und selbst jetzt, da sein Ende, falls er nicht bereits tot war, nur noch eine Frage von Minuten sein konnte, hatte sie noch immer seinen Geschmack auf ihren Lippen.
„Wir werden diesen Vorfall für uns behalten.“
Zum ersten Mal blickte Ayla auf, um Garret in die Augen
zu sehen. Sein Gesicht war fahl und abgespannt. Um die Wunde an seiner Schläfe hatten sich an den Rändern Krusten gebildet,doch in der Mitte trat frisches Blut aus. Die Verletzung war offenbar wieder aufgeplatzt, während er Ayla geschlagen hatte. „Ich werde zu Mabb gehen und für dich lügen“, fuhr er fort. „Du hast keine Vorstellung davon, was sie sonst mit dir machen würde.“
„Mich hinrichten lassen.“ Nach ihrem Zusammentreffen in der großen Halle war klar gewesen, dass die Königin nur darauf wartete, dass sich ihr ein Grund böte, genau das zu tun.
Garret hörte nicht zu, er war ganz in seine Gedanken versunken, die er laut vor sich hin murmelte wie ein Verwirrter. „Ich gehe zum Gildenmeister und versuche mich bei ihm für dich einzusetzen. Um sicherzugehen, dass du beschützt wirst, wenn es sein muss.“ Dann wandte er sich ihr plötzlich doch zu, als hätte er gerade erst ihre Anwesenheit bemerkt. „Gibt es sonst noch irgendetwas, das ich wissen sollte?“
Seine Wut war jetzt verflogen, also konnte sie die Frage stellen, ohne eine körperliche Bestrafung als Antwort fürchten zu müssen. „Nachdem du mit der Königin gesprochen hast … was dann?“
Er wich ihrem Blick aus und drehte sich weg. Seine Wunde sah wirklich ernst aus, sie schien zusehends größer zu werden. Er brauchte einen Heiler. „Dann werden wir gemeinsam so weiterleben, wie ich es ursprünglich für uns erhofft hatte. Allerdings wirst du in Zukunft unter ständiger Bewachung stehen. Mein Vertrauen in dich wird niemals wieder groß genug sein, um dich unbeaufsichtigt zu lassen.“
Aber das wirst du. Du wirst mich unbeaufsichtigt lassen müssen, solange du im Palast bist und alles Nötige in die Wege leitest. Ein schrecklicher Gedanke schlich sich in ihr Bewusstsein. Sie könnte fliehen, noch heute Nacht, und nie mehr zurückkommen. Sie könnte der Lightworld, ihrem früheren Leben, einfach allem, den Rücken kehren.
„Du rührst dich nicht vom Fleck, während ich weg bin“, sagte Garret ruhig, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Nichteinmal du bist dumm genug, leichtfertig die Chance aufzugeben, einen Thron zu besteigen.“
„Aber ich hege keinen …“ Sie verstummte abrupt. Für Garret schien es vollkommen klar zu sein, dass sie seine Schwester als Herrscherin ablösen würde. Ayla wollte lieber nicht erfahren, warum er sich dessen so sicher war. „Soll ich für dich nach einem Heiler schicken lassen?“
„Ich habe meinen persönlichen Heiler. Ich werde ihn auf dem Weg zum Palast konsultieren, wenn ich mich wieder gefasst habe.“ Er griff in die Truhe neben dem Bett und holte eine Mütze heraus, die er aufsetzte und tief nach unten zog, um seine Verletzung darunter zu verstecken. „Dich für eine Weile nicht um mich zu haben wird mir helfen, meinen Ärger unter Kontrolle zu bringen.“
Sie verharrte still, wo sie war, in ihrer Verzweiflung wie betäubt, während er seine Stiefel anzog und zur Tür ging.
„Falls die Patrouillen ihn noch nicht aufgegriffen haben sollten, ich finde diesen Darkworlder.“ Sie vermied es, ihm ins Gesicht zu sehen. Sie wusste, was sie darin lesen würde. Genugtuung, Wut, die Absicht, ihr mit seinen Worten wehzutun. „Ich
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