Herrscherin des Lichts
sehen konnte, wer kam und ging. Ihre Roben und Gewänder waren in auffallenden bunten Farben gehalten, ihr üppiger Schmuck reflektierte das Licht der zahlreichen Kerzen, und es sah aus, als wären die Edelsteine und Perlen von golden funkelnden Strahlenkränzen umgeben. Ayla zog die Schultern hoch, senkte den Kopf und versuchte ihre Prellungen auf den Wangen hinter einigen dicken Haarsträhnen zu verstecken. Ihr Versuch, sich unsichtbar zu machen, weckte prompt die Aufmerksamkeit der wie Raubtiere auf neue Beute lauernden Klatschbasen, und sie hörte ihr Geflüster, als sie an ihnen vorbeiging.
„Das ist die Gefährtin des königlichen Stammhalters? Was hat sich Garret nur dabei gedacht?“
„Sie sieht aus wie eine Straßenhure, die er auf dem Streifen aufgelesen hat.“
„Seht doch, sie hat das Zeichen der Gilde, da, auf ihrem Nacken!“
„Hat mein Bruder dir nicht beigebracht, dich in Gegenwart des Adels zu verbeugen?“
Das Tuscheln verstummte, und es wurde schlagartig totenstill im Raum. Ihren Blick starr auf ihre Füße gerichtet, hatte Ayla nicht bemerkt, dass sie geradewegs auf Mabb zugegangen war, die sie abschätzig musterte, als sei sie irgendein lästiges Insekt.
Ayla machte hastig eine tiefe Verbeugung, und als sie sich wieder erhob, vermied sie den Augenkontakt mit der Königin, wie es sich gehörte. „Ich bitte um Verzeihung, Eure Hoheit.“
„Du darfst mich ansehen. Schließlich sind wir jetzt Schwestern.“ Mabb sprach laut und deutlich, sodass auch bestimmt jeder der Anwesenden genau verstehen konnte, was sie gesagt hatte, aber es wäre nicht nötig gewesen, ihre Stimme zu erheben. Die Höflinge waren noch immer mucksmäuschenstill und hingen förmlich an den Lippen der Königin, um ja nichts zu verpassen. Die lehnte sich ein wenig zu Ayla vor und zischelte ihr ins Ohr: „Lass uns gehen. Dies ist nicht der richtige Ort für Privatgespräche. Und ich gedenke, eines mit dir zu führen.“
Mabb drehte sich um, der Saum ihres langen lilafarbenen Rockes flatterte hinter ihr in der Luft. Ihr weißes Haar war zu zwei geschwungenen Zöpfen gebunden, die sich wie tödliche Schlangen an ihrem Hinterkopf wanden, und anstelle ihrer Krone hielten zwei Messer, deren grüne Griffe mit Juwelen verziert waren, das Gebilde in seiner kunstvollen Form. Als Ayla ihr folgte, trat eine der Wachen an ihre Seite. So zwischen beiden gefangen, fühlte Ayla eine vage Beklemmung in sich aufsteigen. Es war, als würde sie festgenommen, dabei hatte sie noch nicht einmal ihr Verbrechen gestanden.
Mabb ging voran und betrat einen weiteren Raum, bei dem es sich um eine offenbar für offizielle Anlässe gedachte Halle mit einem erhöhten Podium und langen Tischen handelte. „Mein informelles Versammlungszimmer“, erklärte sie, dabei eine wegwerfende Handbewegung machend. „Hier finden Treffen mit meinen Beratern und dem Gremium statt. Nicht dass du irgendetwas damit zu tun haben wirst. Deinen Rat werde ich nicht benötigen. Du gehörst zur Familie .“
Das Wort triefte förmlich vor Gehässigkeit, und selbst als sie den nächsten Gang erreichten, schien dieses Gift noch immer in der Luft zu hängen, als hätte es sie verfolgt. Sie traten in eine kleine halbrunde Kammer mit zahlreichen Türen. In der Mitte stand ein Tisch, um den mehrere Stühle angeordnet waren, und auch diese ließ Mabb hinter sich. „Wenn du in den Palast kommst, weil du mich sprechen willst, wirst du hier warten, bis eine meiner Zofen sich deiner annimmt. Sie bringt dann in Erfahrung, ob ich gerade in der Stimmung bin, dich zu empfangen, oder ob du dein Anliegen ihr unterbreitest, damit sie es an mich weiterleitet. Es wird so gut wie immer das Letzteresein, in deinem Fall. Ich werde keine Zeit für dich erübrigen können.“
An einem Ende der gewölbten Wand befand sich eine gewaltige Doppelflügeltür, und die Wache, die neben Ayla ging, eilte voraus, um die Tür auf Mabbs Zeichen hin zu öffnen. Sie schritten hindurch, die Wache allerdings folgte ihnen nicht, sondern blieb diskret zurück.
Dahinter lag eine weitere Halle mit einer hohen runden Decke. Der Boden, die Wände, einfach alles war mit Ziegelsteinen ausgekleidet, und in jedem von ihnen konnte man schmale Löcher erkennen. Mabb deutete auf eines und bemerkte beiläufig, ohne Ayla anzusehen: „Ein Wort von mir, und Tausende von vergifteten Pfeile würden dich durchlöchern. Meine letzte Schutzvorrichtung gegen jene, die es danach verlangt, mir Schaden zuzufügen.“
Ayla
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