Herrscherin des Lichts
nicht sicher, ob er es auch mit seinen Augen sehen würde.
Langsam streckte er eine Hand aus und berührte den Fuß, der über die Bettkante hing. Ihre Haut war warm und weich, und er kniete sich hin, um seine Wange daranzudrücken.
Sie rollte sich auf die andere Seite und murmelte etwas in ihren Träumen. Malachi erhob sich wieder und stellte einen Fuß auf die Matratze, um zunächst sicherzugehen, dass sein Gewicht sie nicht aus dem Schlaf riss. Dann beugte er sich auf einem Bein stehend behutsam vor, die Flügel leicht geöffnet, um das Gleichgewicht zu halten, und griff nach einer der roten Haarsträhnen auf dem Kissen. Er nahm sie hoch und atmete ihren Duft ein, dann sah er in das Gesicht seiner Elfe.
Ihre Augen waren offen, weit aufgerissen und voller Angst. Sie setzte sich langsam auf, dabei keine Sekunde den Blick von ihm abwendend, als würde sie einem Gegner in einem Kampf gegenüberstehen. Noch vor einem Tag wäre das wahrscheinlich tatsächlich der Fall gewesen, doch auch daran mochte Malachi nicht so recht glauben. Sogar auf dem Höhepunkt seines Hasses auf sie, nachdem sie ihn einfach zum Sterben zurückgelassen hatte, selbst da hätte er es nicht fertiggebracht, sie zu töten. Warum, das war ihm ein Rätsel, es gab keine einzige einleuchtende Erklärung dafür, dass solche Gefühle von ihm Besitz ergriffen hatten, und das gleich vom ersten Moment an.
Sie zog die Knie schräg vor dem Körper an, raffte das dünne Laken wie ein Schutzschild vor der Brust zusammen, und dann rutschte sie, eine Hand ausgestreckt, plötzlich wie in Zeitlupe auf ihn zu. Es schien eine halbe Ewigkeit zu verstreichen, während ihre kleinen weißen Finger sich ihm Zentimeter für Zentimeter näherten. Eine Ewigkeit, die er das wilde Pochen ihres Pulses unter der Haut an ihrem Hals beobachtete, eine Ewigkeit, die er spürte, wie sein eigenes Herz hämmerte und stolperte, als versuche es, aus ihm heraus- und ihr entgegenzuspringen.
Dann fühlte er ihre Fingerspitzen an seiner Brust, warm und weich durch den Stoff seines Hemdes, und er legte seine eigene Hand auf ihre. Diese kurze Berührung löste eine Art Blockade in ihm, und ohne darüber nachzudenken, welche Konsequenzen seine Handlung womöglich nach sich ziehen könnte, zog er sie an sich, in seine Arme, und küsste sie.
Sie versuchte nicht, ihn abzuwehren, was für sie ein Leichtes gewesen wäre und womit er eigentlich hätte rechnen sollen. Ihre Hände lagen auf seiner Brust, aber sie stieß ihn nicht von sich weg. Stattdessen erwiderte sie den Kuss, ebenso hungrig und verzweifelt wie er. Er vergrub die Finger in ihren dicken zerzausten Haarmassen, wollte sie zu mehr verführen, sie so festhalten, dass keine Macht auf Erden sie ihm je wieder entreißen könnte.
Es war, als ob all sein Blut augenblicklich in den Teil seines Körpers rauschte, wo sie ihn gerade berührte, um ihr so nah wie irgend möglich zu sein. Als müsse sein Herz aufhören zu schlagen, wenn sie aufhören würde.
„Ayla!“ Eine zornentbrannte Stimme, die wie ein tosender Wasserfall klang, donnerte durch die gespannte Stille ihrer leisen keuchenden Atemzüge. Sie versteifte sich in seinen Armen, riss ihre Lippen von seinen los.
Ein männlicher Elf stand im Eingang, sein Gesichtsausdruck durchlief geradezu nahtlos die verschiedenen Stadien völliger Fassungslosigkeit, angefangen bei Ungläubigkeit, dann Entsetzen, bis hin zu ungeheurer Wut. Malachis Blick wanderte zu dem riesigen Schwert, das neben dem Eindringling an der Wand lehnte, und dessen Augen huschten sofort ebenfalls zu der Waffe.
Ayla – nicht einmal der Umstand, dass er urplötzlich in eine vermutlich lebensgefährliche Situation geraten war, konnte das Glücksgefühl schmälern, das er dabei empfand, endlich ihren Namen zu kennen – schubste ihn fort und schrie dabei irgendetwas, das er nicht verstand. Dann versuchte sie es in seiner Sprache, was ihrem seltsamen Akzent nach zu schließen sehr schwierig für sie war. „Geh!“
In diesem einzigen Wort lag ein unausgesprochenes Zugeständnis, etwas, das er sich gestern noch nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Sie jagte ihn nicht davon, sondern wollte ihn schützen. Sie hatte Angst um ihn.
Sie rief dem Elfen keine Warnung zu, der nicht mehr dazu kam, nach der Waffe zu greifen, bevor Malachi ihn hart gegen die Wand schleuderte und an ihm vorbeirannte. Elfen mochten zwar unsterblich sein, aber ihre Körper waren leicht und zerbrechlich, dazu bestimmt, sich vom Wind tragen zu
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