Herrscherin des Lichts
Röcke flappten wie zuschnappende Vipern, als sie forschen Schrittes davonging. „Wachen! Die Audienz ist für heute beendet!“
Garret folgte ihr, ohne dass sie ihn dazu eingeladen hätte. Die Bediensteten, denen sie auf ihrem Weg in Mabbs persönliche Räume begegneten, sprangen hastig zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Sie hatten, ebenso wie Garret, reichlich Erfahrungen mit den von einer Sekunde zur anderen umschlagenden Launen der Königin machen müssen und waren geübt darin, sich blitzartig darauf einzustellen.
Erst als sie in Mabbs Schlafzimmer angekommen waren, sicher vor neugierigen Mithörern, schenkte sie ihm ihre kostbare Aufmerksamkeit. „Was wollte sie hier? Sie hatte die Unverschämtheit, mich direkt anzusprechen, vor dem halben Hofstaat. Eine unverzeihliche Respektlosigkeit!“
„Sie hat in Anwesenheit des halben Hofstaates ihr Geständnis abgelegt?“
Der fragende Ausdruck, der auf Mabbs Gesicht erschien, sagte ihm alles, was er wissen musste. Ayla hatte nicht gestanden. Sie war hierhergekommen und hatte, ja, was eigentlich? Versucht, die Gunst seiner Schwester zu erlangen?
Er fluchte innerlich. Wenn Mabb also nichts von der Schuld seiner Gefährtin wusste, könnten die Dinge noch immer nach Plan laufen.
„Geständnis?“ Mabb lachte. „Wofür sollte sie sich schon zu rechtfertigen haben, abgesehen von ihrer schlampigen Erscheinung und den selten geschmacklosen Kleidern, in denen sie herumläuft? Die hast doch nicht etwa du ihr gekauft, oder?“
Ihr Stolz musste durch irgendetwas empfindlichen Schaden genommen haben, wenn sie sich dazu verleiten ließ, solch eine stümperhafte Beleidigung von sich zu geben.
„Wo ist sie jetzt?“, fragte er, ohne weiter auf die Bemerkung einzugehen.
„Ich habe sie natürlich fortgeschickt.“ Mabb flanierte zu ihrem Ankleidetisch und griff nach einem Flakon parfümierten Öls. „Es interessiert mich nicht, wohin sie danach verschwunden ist.“
Garret schoss auf die Geheimtür in der Wand zu; die Abdeckung war allem Anschein nach erst kürzlich bewegt worden. „Du hast sie hoffentlich nicht allein gehen lassen?“
„Aber sicher. Ich stelle doch nicht extra eine meiner Wachen zum Schutz deines … Haustieres ab“, erwiderte Mabb spöttisch, dann öffnete sie den Flakon und schnüffelte skeptisch daran. „Was denkst du, ist dieses hier einer Königin würdig?“
„Ich denke, du hast einen sehr dilettantischen Fehler begangen.“ Er stellte sich dicht hinter sie, die Hände auf ihre weißen Schultern gelegt.
Ihre Blicke trafen sich in ihrem Spiegel, und ihr anfänglicher Ärger wich zuerst Verwirrung, dann Beunruhigung. „Garret, du zitterst ja.“
Es geschah so viel schneller, als er es sich in seinen kühnsten Träumen jemals vorgestellt hatte. Selbst all die Jahre des Pläneschmiedens, all die einsamen Nächte, in denen er sich ausgemalt hatte, wie es sein würde, wenn der Tag endlich gekommen wäre, hatten ihn nicht darauf vorbereiten können, wie wunderbar,wie befreiend dieser Moment sich tatsächlich anfühlte. Seine Hand schloss sich um eines der Messer in ihrem hochgesteckten Haar. Sie drehte sich um, starr vor Entsetzen, ihr Mund formte ein angsterfülltes Flehen um Gnade. Es erstarb noch, bevor es über ihre bebenden Lippen kommen konnte, so wie sie starb, erstickt von der unbarmherzigen Welle schwarzen Blutes, die aus ihrer Kehle sprudelte. Ihre Lebenskraft verließ sie, tropfte auf die toten Blätter ihres Umhanges.
Sie krallte sich an ihn, als ihre verdorrenden Glieder sich im Todeskampf wanden wie zierliche junge Weinreben, ungeschützt einem dichten Schneegestöber ausgesetzt, um darin zu erfrieren. Dieses grauenvolle Schauspiel setzte ihm zu; er hatte eigentlich immer vorgehabt, Gift zu verwenden, damit er nicht zusehen musste, wie sie sich quälte. Dennoch blieb er äußerlich unbeeindruckt, als ihre zerbrechlichen Finger sich in seine Robe gruben, versuchten, ihn mit sich ins Jenseits zu reißen.
Aber es gibt kein Jenseits, in dem du deinen Frieden finden wirst, Schwester, dachte er, und für einen Moment empfand er echtes Mitleid mit ihr. Wie es wohl sein musste, von einer Welt in eine andere hinüberzugleiten? Aus dieser Welt zu scheiden, in die sie niemals wirklich gehört hatte, in der sie sterblich war, um an einen anderen Ort zu gehen, der nicht existierte? Gewaltsam aus der einen Ebene gerissen zu werden, ohne in einer neuen Zuflucht finden zu können? Eine Reise anzutreten, ohne jemals am Ziel anzukommen? Weil
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