Herrscherin des Lichts
Vertrauten gegeben, niemanden, der in Sorge geriet und sich fragte, wo sie wohl sei.
Ein ganzes Leben, verbracht in dem verzweifelten Bemühen, Teil einer Welt zu sein, die sich ihrer schon vor Jahren nur allzu gern entledigt hätte. Und gleichzeitig lebte sie in dieser Welt als unbeteiligte Beobachterin.
Der Wasserspiegel stieg bis über ihre Füße, und ihr Kleid begann sich langsam vollzusaugen. Die Überbleibsel der schönen Dinge und Annehmlichkeiten, die ihr genau einen Tag vergönnt gewesen waren, zogen sie jetzt noch weiter nach unten, als sie es schon zuvor getan hatten.
Ein Teil und gleichzeitig unbeteiligt. Nichts Halbes und nichts Ganzes, wie immer.
Vor sich konnte sie die Muster der Schatten erkennen, die sie sich beim letzten Mal eingeprägt hatte. Wasser barg seine eigenen Geheimnisse, und es gab sie nur an diejenigen preis, die sich die Mühe machten, genau hinzuschauen. Diese sanften Wellen, in einem gespenstischen schwarzblau über die fahlen Wände huschend, waren ihre Wegweiser, die sie zu dem Darkworlder leiten würden.
Vorausgesetzt, er hatte überlebt. Unsinn, natürlich lebte er. Andernfalls hätte Garret sie nämlich längst aufgestöbert, sich schadenfroh an ihrem Leid geweidet, auf sie eingedroschen, bis er die Lust daran verlor. Was aber, wenn der Darkworlder sie gar nicht bei sich haben wollte? Was dann? Sie hatte sich von ihrer Welt abgewendet, unwiderruflich, und würde auf sich allein gestellt in der Darkworld wohl kaum lange überleben, nicht mit dem Gildenzeichen an ihrem Hals.
Nein, das stimmte nicht, sie könnte es schaffen, doch sie hätte nur ein trostloses Dasein gegen ein anderes getauscht. Ihr Herz konnte sich für diese Aussicht nur schwerlich erwärmen, jetzt, da sie wusste, dass sie eines hatte.
Nach links, ins tiefere Wasser, das bis zu ihrer Taille reichte. Unter der trüben Oberfläche stieß etwas gegen ihren Unterkörper, und sie begann schneller zu laufen, so schnell der zähe Schlamm unter ihr es erlaubte.
Die menschliche Heilerin war nichts weiter als eben das: menschlich, einfältig, mindestens so fehlgeleitet, wie Aylas eigene Interpretation der Warnung die richtige war. Sie konnte wahrlich mehr als einen Mann mit Flügeln aufzählen. Es musste also nicht zwangsläufig der Darkworlder sein, der ihr Verderben bedeutete.
Am Eingang des Tunnels, durch den sie endlich zu Malachi kommen würde, breitete sich plötzlich ein flaues Gefühl in ihrer Magengegend aus. Sie presste die Hände auf die sich verkrampfende Stelle und kämpfte gegen die quälende Nervosität an. War es ihm genauso gegangen, als er sich zu ihr geschlichen hatte?
Sie biss die Zähne zusammen und stapfte mit vor Erschöpfung zitternden Beinen weiter vorwärts, grimmig dem Widerstand des Wassers trotzend. Sie hatte sich für dieses Wagnis entschieden, und sie würde sich nicht von einem unbedeutenden Anflug des Zweifels aufhalten lassen. Schon gar nicht mehr jetzt.
Die Tür des schäbigen Unterschlupfes, in dem er wohnte, hob sich nur so minimal von der Wand des Tunnels ab, dass sie beinahe daran vorbeigegangen wäre, ehe die Schatten ihre Formen veränderten und sie dadurch zurückriefen. Sie blieb für einen langen Moment unschlüssig stehen, die Feuchtigkeit kroch höher und höher in den durstigen Stoff ihres Kleides, ihre Hände ballten und entspannten sich wieder an ihren Seiten. Dann, zögernd, streckte sie die Rechte nach dem Türgriff aus. Ihre Finger hatten kaum das rostige Metall berührt, als die Tür mit einem durchdringenden Quietschen aufschwang, Malachi Ayla wortlos in die Arme zog und stürmisch den Mund auf ihren presste.
Die schmutzigen, durchnässten Falten ihres Kleides klatschten gegen seine nackten Beine; es war nicht wichtig. Ihr zerwühltes Haar hing ihr ins Gesicht, und er musste es zur Seite schieben, ließ sich davon jedoch nicht ablenken, machte weiter, setzte sie nicht wieder auf den Boden. Die Tür fiel zu, obwohl sich der Griff seiner starken Arme um Ayla nicht für auch nur eine Sekunde gelockert zu haben schien.
Natürlich wollte er sie bei sich haben. Er war ihr bis in die Lightworld gefolgt, hatte seine sterbliche Existenz riskiert, um sie zu finden. Wie hatte sie irgendetwas anderes erwarten können?
Sie waren miteinander verbunden, durch eine sonderbare, unerklärliche Macht, und waren es von dem Augenblick an gewesen, als ihre Berührung ihn zu einem sterblichen Wesen gemacht hatte. Und dieses Band erzeugte nun ein Gefühlschaos in ihr, das keinen
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