Herrscherin des Lichts
Ayla sich innerhalb der Mauern wieder, die sie sich geschworen hatte, nie wieder zu betreten. Nun war sie doch zurückgekehrt. Als Gefangene.
17. KAPITEL
S ie war hier gewesen. Und jetzt war sie einfach weg. Malachi starrte die Tür an, als könne er dort eine Art Abbild von Ayla entstehen lassen, wenn er sich nur genügend anstrengte. Hatte sie mit Schwermut auf seine schlafende Gestalt zurückgeblickt? Mit Bedauern? Oder war sie in die Dunkelheit hinausgestürzt, ohne auch nur einen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden, einzig und allein von dem Ansinnen getrieben, so schnell wie möglich wieder in ihre Elfenwelt zu kommen, ein Reich, in dem es für ihn keinen Platz gab?
Seiner überdrüssig geworden, hatte sie sich von ihm abgewandt, ihn fallen lassen. Ihre Neugierde ausreichend befriedigt, war sie in das Leben zurückgekehrt, das sie insgeheim immer hatte führen wollen und in dem er nicht vorkam.
Nein, das konnte er nicht glauben. Sie war ihm doch bis hierher gefolgt, aus demselben Grund, aus dem er zu ihr gegangen war. Weil sie beide es nicht ertrugen, vom anderen getrennt zu sein, weil keiner von ihnen als Einzelwesen überleben konnte. Sie mussten zusammen sein, oder sie würden zugrunde gehen.
Keller krabbelte aus seiner Schlafnische und zündete sich eine seiner Zigaretten an. Er sagte sehr lange nichts, was Malachi nicht im Geringsten störte. Welche der nutzlosen Weisheiten, die der Mensch von sich geben mochte, würden schon helfen und den Schmerz seines verletzten Stolzes lindern?
„Wirst du ihr hinterhergehen?“, fragte Keller, als seine Zigarette halb heruntergebrannt war.
Malachi gab ihm keine Antwort.
Das hinderte Keller nicht daran, weiterzuschnattern. Inzwischen war Malachi zu der festen Überzeugung gelangt, dass der Mensch sogar mit einem Kochtopf sprechen würde, sofern er einen fand, der hübsch genug war, um mit ihm eineUnterhaltung zu beginnen. „Hab ich dir eigentlich schon erzählt, wie ich meinen Arm losgeworden bin?“
Den Kopf nur wenige Zentimeter drehend, warf Malachi ihm einen entnervten Seitenblick zu.
Keller ignorierte das geflissentlich. „Also, es hat ziemlich gedauert, ehe ich langsam dahinterkam, wie die Dinge hier unten so laufen. In der ersten Zeit lebte ich hauptsächlich von Abfällen, die ich auf dem Streifen zusammenklaubte, und war ständig damit beschäftigt, mich vor all den unheimlichen Kreaturen zu verstecken, von denen ich lauter üble Geschichten gehört hatte. Ich meine, ich wusste, was sich im Untergrund so alles rumtreibt, aber wer hätte gedacht, dass ich eines Tages selbst dort lande, nicht? Tja, und da war ich, auf einmal mitten unter ihnen.“ Er blies zwei Rauchkringel in die Luft und sah zu, wie sie sich auflösten. „Ich brauchte fast ein Jahr, um rauszufinden, dass ich nicht der einzige Mensch war, den es hierher verschlagen hat. Weil die anderen, total verdreckt und in den Lumpen, die ihnen bald vom Leib fallen, mit denen aus der Oberwelt, wo ich ja herkam, nicht mehr viel gemeinsam haben. Deshalb fiel mir eine ganze Weile überhaupt nicht auf, dass einige dieser Gestalten so sind wie ich. Aber dann traf ich dieses Mädchen. Winterrose. Ach, eine echte Schönheit war sie, meine kleine Zigeunerin. Reichte mir gerade mal bis zur Schulter. Und sie hatte diese tollen langen Haare – fast schwarz, nur im richtigen Licht konnte man sehen, dass sie in Wirklichkeit blutrot waren, eine leuchtende Kaskade aus Locken, die ihren Rücken hinunterhingen. Das erste Mal bin ich ihr bei einem Stand auf dem Streifen begegnet, als sie gerade dabei war, ein paar Esswaren mitgehen zu lassen. Mann, war die fix, ich wusste im ersten Augenblick gar nicht, was los ist.“ Er kratzte sich mit seiner Metallhand am Kopf. „Jedenfalls, ich war mal wieder am Verhungern und bin ihr nach. Selbst wenn sie mir nichts von ihrer Beute abgibt, dachte ich mir, vielleicht zeigt sie mir wenigstens, wie sie das gemacht hat. Könnte jasein. Sie lief in die Darkworld, aber das kümmerte mich in dem Moment nicht. Ich folgte ihr trotzdem und hielt mich dabei für einen ganz ausgebufften Typen, einen unsichtbaren Schatten oder so. Pustekuchen, sie wusste die ganze Zeit, dass ich hinter ihr bin. Sie hat mich schnurstracks in ihr Lager geführt, und ich bin dann bei ihr und ihren Leuten geblieben, bis … Gott, das müssen so ungefähr sechs Monate gewesen sein. Und eines Morgens dann wache ich auf, und alle sind weg. Das ganze Lager leer, verlassen. Die hatten bei Nacht und
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