Herrscherin des Lichts
Nebel ihre Sachen gepackt und sind abgehauen. Aber sie hatte ein Andenken an mich mitgenommen. Meinen Arm. Sie muss mich unter Drogen gesetzt haben, ich fühlte nicht mal, dass da ein Stück von mir fehlte.“
Malachi runzelte skeptisch die Stirn. „Was sollte sie mit deinem Arm wollen?“
„Sie war ein Fleischsammler, genau wie der Rest ihrer Sippe. Ich wusste nichts davon, sie haben es natürlich vor mir geheim gehalten. Die Zigeuner hier unten, die sind anders als die auf der Oberfläche. Oben nehmen sie dir dein Geld ab, hier deine Arme oder Beine. Wenn sie dich nicht gleich komplett in deine Einzelteile zerlegen. Ich hatte Glück, dass die Kleine mich wirklich mochte und die anderen wohl davon abgehalten hat, noch mehr zu ‚ernten‘.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich machten sie Geschäfte mit den Wiedererweckern, die immer reichlich Futter für ihre auferstandenen Toten brauchen.“
Keller seufzte und drückte seine Zigarette aus. Das war gut, Malachi hasste den stinkenden Qualm. „Jepp“, sagte der Mensch mit einem weiteren tiefen Seufzer. „Arm ab oder nicht, ich hätte sie suchen sollen. Ich hab sie geliebt.“
„Du versuchst mich dazu zu bringen, Ayla nachzulaufen. Aber sie hat mir nicht den Arm abgeschnitten. Sie hat mich nicht gebeten, ihr zu folgen. Sie ist gegangen, obwohl sie wusste, dass ich es nicht wollte.“ Malachi wandte das Gesichtwieder der Tür zu. „Wenn sie nicht bei mir bleiben will, warum sollte ich ihr nachjagen?“
Keller ging zu einer der Werkbänke und begann Schubladen aufzuziehen und wieder zu schließen, Schrauben und andere Dinge zu sortieren, kurz, sehr beschäftigt auszusehen, ohne tatsächlich etwas zu tun. Es schien ein besonderes Talent der Menschen zu sein. „Ich glaube, sie hat sich aus dem Staub gemacht, weil sie Angst hatte, was mit dir passieren könnte, wenn ihre Verfolger dich hier finden.“
Malachi machte ein Geräusch, das ausdrücken sollte, dass er anderer Meinung war.
„Denk, was du willst. Deine Entscheidung, was du tust oder lässt. Ich sage ja nur, in sechzig Jahren, wenn du immer noch bereust, nichts unternommen zu haben, dann wird es zu spät sein. Nicht für sie, aber du, du bist dann ein verbitterter alter Knacker. Quäl dich nicht mit Vermutungen, ehe du nicht weißt, ob sie wirklich stimmen. Und das kann nur sie dir sagen. Das ist alles, was ich dir raten kann.“
Keller nahm seine Anglerhosen vom Haken und stieg hinein, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
Gut. Dieser unwissende Mensch vereinfachte die Dinge viel zu sehr. Verstand er denn nicht, dass Malachi jetzt schon zum zweiten Mal Gefahr lief, seine zerbrechlichen menschlichen Gefühle in den Boden stampfen zu lassen, wenn er Ayla folgte? Dass er dann vielleicht sein ganzes Dasein damit verbringen würde, zu hoffen, stets in dem Wissen, dass ein kleiner Luftzug des Schicksals genügte, um diese Hoffnung für immer zu zerstören?
„So ist das Leben, Mac“, sagte Keller leise, während er nach seinem beleuchteten Plastikhut griff. „Zumindest für uns niedere Sterbliche. Und du kannst entweder zusehen, wie deine Hoffnungen eine nach der anderen zerplatzen wie Seifenblasen, endlos immer neue Scheiße auf dich runterregnen lassen, oder du kapselst dich ab, so gut es geht.“
„Das ist es, was du getan hast“, stellte Malachi fest, verärgert darüber, dass der Mensch wieder einmal ungefragt seine Gedanken gelesen hatte. „So überlebst du.“
„Ja, ich überlebe“, bestätigte Keller, setzte den Hut auf und schaltete die Lampe daran ein. „Aber ich würde es nicht Leben nennen.“
Er stieß mit seiner Metallhand die Tür auf, sah Malachi kurz an und machte dann mit der anderen eine ermunternde Bewegung. „Ich muss jetzt los. Wenn du willst, kann ich dich bis zum Streifen begleiten.“
„Sie ist jetzt hier, Eure Hoheit.“
Garret drehte den Kopf, nur ein kleines Stück, sein Nacken war steif von den vielen Verbeugungen, mit denen er sich bei den zahlreichen Trauergästen hatte bedanken müssen. „Danke. Bringt sie in den Thronsaal.“
Peinlich genau achtete er darauf, „den Thronsaal“ zu sagen und nicht etwa „meinen Thronsaal“. Er würde diese Angelegenheit mit allergrößtem Bedacht angehen, bis er offiziell gekrönt wäre. Erst nachdem er widerstrebend die schwere Bürde auf sich genommen hätte, König der Lightworld zu werden, konnte er es sich leisten, seine Wachsamkeit ein wenig zu reduzieren.
Er erhob sich aus seiner knienden Position,
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