Herrscherin des Lichts
doch einmal in meine Lage!“ Diese Worte ließen sie beinahe augenblicklich verstummen. „Meine geliebte Schwester wurde … auf bestialische Art und Weise ermordet. Meine Gefährtin zu mir zurückgebracht, nachdem sie aus der Lightworld geflohen war. Bitte, lasst mich um meine Schwester trauern, bevor ich die einzige Seele verdammen muss“, er hielt inne und sah Ayla direkt in die Augen, um sicherzugehen, dass sie die Tragweite seiner Worte erkannte, „die ich mehr geliebt habe als mein Leben.“
Sie spuckte ihm ins Gesicht.
Damit war ihr Schicksal besiegelt, stellte er zufrieden fest, als die Wachen sie grob wieder fesselten und durch die zeternde, geifernde Menge zum Ausgang schubsten. Hätte sie angefangen zu weinen, wäre das natürlich auch ihr Ende gewesen. Aber diese offene Auflehnung, oh, wie man sie dafür verabscheuen würde.
Als der Saal sich schließlich geleert hatte und die großen steinernen Türen hinter dem letzten Schaulustigen zufielen, nahm Garret wieder auf seinem Thron Platz und lächelte selbstzufrieden in sich hinein.
Die Zellen im Kerker des Elfenreiches waren kalt und düster, und die wenigen Fackeln, die für eine spärliche Beleuchtung sorgten, verströmten einen durchdringenden Geruch nach Qualm und Ruß. Das Bett bestand aus achtlos auf den Bodengeworfenen Lumpen, zu essen gab es nichts weiter als pappiges Brot und Wasser. Kurz gesagt, ihre Unterbringung bedeutete für Ayla lediglich einen geringfügigen Abstieg im Vergleich zu dem, woran sie ohnehin ihr ganzes Leben lang gewöhnt gewesen war. Für sie war es nicht so schlimm, wie die meisten anderen es empfunden hätten, und so konnte sie ihre Zeit zum Nachdenken nutzen, anstatt sich über den Verlust diverser Annehmlichkeiten zu grämen.
Man glaubte also, sie habe die Königin ermordet. Rückblickend war dies vielleicht ja genau das, was Mabb von Anfang an bezweckt hatte. Sie hatte Ayla davongejagt, nicht einmal einen Bewacher mitgeschickt, sodass niemand ihr Verschwinden durch den geheimen Gang bemerkte, nicht wahr? Aus ihrer Absicht, Ayla zu zerstören, hatte sie keinen Hehl gemacht, ihr sogar offen unterstellt, sie sei auf ihren Tod aus.
Doch nein, was hätte Mabb davon, wenn Ayla zwar für den Mord an ihr hingerichtet wurde, sie selbst aber dafür mit ihrem eigenen Leben hatte bezahlen müssen? Und daran, dass sie tatsächlich tot war, bestand kein Zweifel, hier handelte es sich nicht um eine ihrer Intrigen.
Diese Erkenntnis ließ nur eine logische Schlussfolgerung zu, und sosehr sie ihn auch hasste – was sie spätestens jetzt wirklich aus tiefster Seele tat –, konnte sie es dennoch kaum glauben.
Sie dachte, es gäbe unter den Elfen niemanden, der von Mabbs Tod profitieren würde. Wie naiv. Es waren sogar zwei Personen, denen er Vorteile eingebracht hätte, und zwar unermesslich viele. Als Erstes natürlich sie selbst, denn im Falle von Mabbs Ableben wäre sie an ihre Stelle getreten, als Alleinherrscherin über das Elfenreich und, bis auf wenige Randgruppen, die sich keiner königlichen Autorität unterwarfen, die gesamte Lightworld. Der zweite Nutznießer hieß Garret, den Aylas Machtübernahme automatisch zum ranghöchsten männlichen Elfen des Reiches gemacht hätte.
Da sie Mabb jedoch nicht auf dem Gewissen hatte, musste es Garret gewesen sein.
Nur, wie es ihm beweisen? Wer würde schon glauben, dass ausgerechnet er, der solch ein Aufhebens um seine angebliche Trauer machte, seine über alles geliebte Schwester kaltblütig ermordet hatte? Eine niedere Halbelfe dagegen, die sich wie Ungeziefer in die Lightworld eingeschlichen und dort breitgemacht hatte, die hätte tausend gute Gründe dafür gehabt, oder? Welch eine Verlockung müsste es auch für so jemanden sein, ein Leben in Luxus zu führen, nachdem eine unbedeutende, schon lange nutzlos gewordene Existenz endlich ausgelöscht war. Wie leicht wäre es, anzunehmen, sie könnte plötzlich gierig geworden sein und ihre Stellung als Garrets Gefährtin habe ihr nicht mehr gereicht. Und noch leichter, dass sie ihren ehemaligen Mentor von Beginn an nur benutzt, ihn um den kleinen Finger gewickelt hatte, bis durch ihre Beziehung zu ihm ihr Ziel schließlich in greifbare Nähe rückte. Als die Zeit reif war, hatte sie dann ihre vergiftete Klinge ins Herz der Königin gestoßen und darauf spekuliert, der Thron würde, der Erbfolge entsprechend, ihr zufallen.
Diese Geschichte hörte sich ebenso verrückt wie unfassbar an, und genau das machte sie wahrscheinlich
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