Herrscherin des Lichts
schlagartig verging.
Vor Wut bebend verpasste die kleine Kreatur ihm eine Ohrfeige. Der Hieb erzeugte einen stechenden Schmerz in Malachis Wange und Schläfe, aber der hielt nicht lange an. Es würde nicht einmal eine Schwellung geben. Er lachte. Sein Schicksal war so oder so besiegelt, das wusste er.
„Du wirst es bestimmt nicht mehr so lustig finden, wenn ich sie töte“, keifte Garret und drehte sich um. „Oder wenn ich sie dazu zwinge, dir beim Sterben zuzusehen!“
Malachi zerrte wild an seinen Fesseln, aber sie waren zu stabil. „Nein! Du wirst ihr nichts tun!“
„Ach ja? Und wer soll mich davon abhalten, du etwa?“ Garret zwängte seine Hände in ein Paar derbe Lederhandschuhe und nahm eine der Eisenstangen von dem Kohlenhaufen. Er betrachtete sie einen Moment prüfend, als wolle er sich versichern, dass sie auch die ideale Temperatur hatte. Dann, ohne irgendeine Vorwarnung, rammte er sie in Malachis Seite.
Der Schmerz war mit nichts vergleichbar, das er bisher je empfunden hatte oder sich auch nur hätte vorstellen können. Sein Fleisch wurde zuerst zu einer klaffenden Wunde aufgerissen, dann verschmolz es regelrecht mit dem Metall. Als Garret das Folterinstrument wieder herausriss, zog er dabei alles mit,was daran festgebrannt war, und aus dem tiefen Loch, das zurückblieb, ergoss sich mit jedem Pulsschlag ein Schwall heißen dunkelroten Blutes.
Garret warf die Stange zurück auf die Kohle. Der Gestank versengten Fleisches stieg in der Luft auf. „Wenn ich mit dir fertig bin, wird sie dich nicht mehr wiederkennen. Und du wirst garantiert in keiner Verfassung sein, sie zu retten, das verspreche ich dir.“
18. KAPITEL
D ie Tür zu ihrer Zelle öffnete sich, doch der Gang dahinter war keiner der feuchten stickigen Gefängnistunnel. Vor ihr tat sich ein sauberer Korridor mit hellgrauen Steinwänden auf. Sie stand mit zitternden Beinen auf und trat, noch nicht recht daran glauben könnend, hinaus in die Freiheit. Von der anderen Seite des Korridors aus fiel Licht herein. Wunderbares Sonnenlicht, wie Ayla es bisher nur durch die oberen Gitter im Refugium gesehen hatte, und Sand, so blendend hell, dass sie ihre Augen abschirmen musste, als sie näher heranging.
Hinter dem Strand tauchte langsam ein blauer Streifen auf. Wasser. Das offene Meer, seine Farbe nur wenig intensiver als die des Himmels darüber, aber umso unbändiger und geheimnisvoller in seiner brachialen Gewalt, mit der es ans Ufer brandete.
An der Küste stand eine Frau. Groß und schön, ihr langes Haar hatte beinahe denselben Ton wie der Sand zu ihren Füßen, und ihre Haut war so weiß wie der sich auf den Wellen kräuselnde Schaum. Sie trug ein schneeweißes mehrlagiges Gewand, das zusammen mit ihrem Haar im Wind flatterte. Sie drehte den Kopf und ihren vollen schwangeren Körper in die Richtung, aus der die Brise vom Meer herüberwehte, die Arme ausgestreckt. Als Ayla aus der Felsenhöhle trat, wandte sie sich um und winkte sie zu sich.
„Wo bin ich?“, fragte Ayla, viel schneller dicht neben der Frau stehend, als sie erwartet hatte.
Die Frau breitete erneut ihre Arme in den Wind aus, ihre Wange rosig durch den feinen Sand und die salzige, frische Luft. „Es ist die See.“
Ayla hatte davon gehört, Darstellungen des Ozeans auf Wandbildern und Gemälden gesehen. Dass die andere Frau sie für so weltfremd zu halten schien, ließ sie sich dumm vorkommen, und das machte sie wütend.
„Das weiß ich. Warum bin ich hier?“
„Weil an diesem Ort alle Dinge ihren Anfang finden. Und ihr Ende.“ Die Frau schloss die Augen und lachte leise. Irgendwo in der Ferne schrie eine Möwe. Oder …
„Malachi leidet.“ Beunruhigung stieg in ihr hoch. „Ich muss zu ihm.“
„Er hat seinen Anfang und sein Ende.“ Die Frau nickte und lächelte wissend. „Aber das wusstest du bereits.“
„Du sprichst in Rätseln, wie immer.“ Doch war dieser Ausspruch nicht auch ein Rätsel? „Geh, Mutter. Ich will nicht über mein nahes Ende sprechen.“
„Was macht dich so sicher, dass dein Ende bald gekommen ist?“ Der Wind legte sich plötzlich, die Wasseroberfläche kam zur Ruhe. Die Frau nahm Aylas Hand und legte sie auf den Bauch ihrer Tochter. „Vielleicht bist du hier, weil ein neuer Anfang bevorsteht.“
Das Tosen der Wellen setzte wieder ein, und sie begannen die Gestalt zweier gesichtsloser Körper anzunehmen, die sich gemeinsam bewegten, als seien sie eins, sich ineinander verschlangen, auseinanderstoben. Bei diesem Anblick
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