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Herz an Herz

Herz an Herz

Titel: Herz an Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer , Sven Ulrich
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meine letzten Mails reagieren. Was genau habe ich Ihnen getan? Und warum sind Sie nicht in der Lage, Ihre Vorwürfe zu artikulieren? Denn dieser Schluss liegt nahe, wenn Sie mich nun schon eine grausame, einsame Woche lang mit Stillschweigen strafen.
    In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass Kinder ihre Trotzphase verlängern, wenn sie an Sprachentwicklungsstörungen leiden. Der Frust über die Tatsache, dass sie sich nicht richtig ausdrücken können, lässt sie nur noch bockiger werden – was ich gut nachvollziehen kann.
    Ich will Sie mit dieser kleinen Anekdote also nur zur Ehrlichkeit ermuntern, Ihnen eine goldene Brücke bauen, die es Ihnen leichter machen soll, mich zu beschimpfen, anzugreifen, zu verfluchen – was auch immer. Tun Sie es bitte! Nur tun Sie eines nicht: schweigen. Denn damit drücken Sie bei mir einen Alarmknopf, der mich in einen Zustand größter Unsicherheit und Unruhe katapultiert. Dabei hatte ich mich gerade ein bisschen fallengelassen in unsere sonderbar wundervolle Schreibverbindung. Weil sie das Gegenteil von Schweigen und Lügen war.
     
    Ehrliche Grüße
    Ihre Sara
     
    PS . Herzlichen Dank für die CD von Michael Franks! Nun habe ich zwei Ausgaben von «Barefoot on the Beach» … Was ich sehr schön finde, weil mir dieser Luxus jetzt nicht nur ein bisschen Berti Huber in mein Wohnzimmer, sondern auch in mein Auto zaubert. Aber dazu in der nächsten Mail mehr. Die nächste wird eine Michael-Franks-Berti-Huber-Mail, wenn Sie denn möchten, dass ich Ihnen weiter schreibe …
    ***
    So 31. Oktober  08:21
    Betreff: Was soll’s
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
     
    Liebe Sara,
    es ist wieder Sonntag, wie vor einer Woche. Ungefähr um die gleiche Zeit saß ich hier an meinem Tisch und schrieb Ihnen einen Brief auf echtem Papier, der es offenbar vom Starnberger See zu Ihnen nach Hamburg geschafft hat.
    Die Tatsache, dass Sie jetzt zwei Michael Franks CD s haben, macht mir ein schlechtes Gewissen, denn ich habe Sie offenbar falsch eingeschätzt. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Auch für die Tatsache, dass ich mich eine Woche nicht gemaildet (der war nicht schlecht!) habe. Aber ich will ehrlich sein: Ich war tatsächlich ein bisschen sauer auf Sie, das gebe ich zu. Ich gebe es zu, obwohl es mir schwerfällt und ich auch gar nicht weiß, warum ich eigentlich sauer bin.
    Wir führen doch eine sehr schöne Brieffreundschaft, Ihre Briefe und Mails sind witzig, einfühlsam und häufig offenbar auch ironisch (was ich nicht einschätzen kann, weil ich dafür keine Antenne habe). Und trotzdem war ich sauer.
    Sauer?
    Nein, ich war wütend. Ich war so wütend, weil ich vorher mehrere Wochen gut gelaunt war! Ich war sogar nicht nur gut gelaunt, sondern ganz aus dem Häuschen! Ein anderer Berti als der Berti der letzten Monate. Ich habe meine Wäsche nicht mehr jeden Freitagmorgen, sondern auch mal Sonntagabend gewaschen. Ich habe das Bügeln ausfallen lassen und bin mit meinen Fachbüchern durcheinandergekommen. Am Ende bin ich sogar Mittwoch zu meiner Mutter, ohne mir ein «Abenteuer» auszudenken. Trotzdem fühlte ich mich pudelwohl. Und dann?
    Dann komme ich letzte Woche Freitag guter Dinge nach Hause, steige beschwingt die Treppen hinauf, bis im zweiten Stock die Tür aufgeht und plötzlich meine Nachbarin Petzi in der Tür steht. Verdammt, dachte ich, jetzt hast du total vergessen, hier leise vorbeizuschleichen! So ein Mist. Ich setze also gerade mein leicht gequältes, entschuldigendes Ich-habe-so-viel-zu-tun-Lächeln auf, und was sehe ich? Ich sehe das gleiche Lächeln auf den Lippen meiner Nachbarin. Die hatte mich nämlich gar nicht abgepasst. Sie war ebenfalls überrascht, mich zu sehen. Wir standen also blöd voreinander, sagten Dinge wie «Lange nicht gesehen» und «Wie läuft’s denn so?». Und dann düste Petzi auch schon los.
    Erleichtert ging ich hoch in den dritten Stock, betrat meine Wohnung und dachte: Puh, das ist ja noch mal gut gegangen!
    Doch irgendwas irritierte mich. Ich guckte aus dem Fenster und sah meiner Nachbarin hinterher. Sie trug ein hübsches Kleid, war sehr dezent geschminkt und hatte so einen federnden Gang. Was war da los? Warum hatte mich Petzi eben nicht in ein Gespräch verwickelt, mir keine unterschwelligen Vorwürfe gemacht, weil ich mich nicht gemeldet hatte? Wieso drängte sie mir nicht wie sonst ein Glas Wein auf? Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die gute Frau war bei unser Begegnung im Flur

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