einer Tragikomödie mit offenem Ende. Und ein offenes Ende ist mir immer noch lieber als ein abruptes.
Also, lieber Berti, entscheiden Sie, ob wir einen ersten Schritt in Richtung Entzauberung tun und uns gegenseitig ein Foto schicken sollten. Ich mache heute den Anfang und schicke Ihnen anbei ein Bild meines Wohnzimmers. Wenn Sie genau hinsehen, wird Ihnen das CD -Cover neben dem Fernseher durchaus bekannt vorkommen.
Gespannte Grüße
Sara
PS . Viel Spaß beim heutigen Wäschewaschen!
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So 31. Oktober 21:21
Betreff: Zusammen auf dem Balkon
Von:
[email protected] An:
[email protected] Liebe Sara,
der Gedanke, dass Sie nach einem spontanen Besuch plötzlich neben mir auf meinem abgewetzten, grünen Ledersofa sitzen würden, bringt mich ganz durcheinander. Soll ich Cracker einkaufen und Ihnen zum Wein servieren? Oder soll ich lieber eine Heizsonne kaufen, damit wir überhaupt noch zusammen draußen sitzen können?
Falls Sie nämlich gerade in Ihrem durchaus gemütlich aussehenden Wohnzimmer sitzen, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass es draußen schon verdammt kalt geworden ist und ich bei meinem heutigen Ausflug zu meiner Mutter gerne schon Handschuhe dabeigehabt hätte. Es wird also sehr knapp mit den gemütlichen Abenden auf meinem magischen Balkon. Aber die Einladung steht natürlich!
Ich habe also heute meine Mutter besucht und NICHT gewaschen, wie Sie irrtümlich vermuteten. Aber ich nehme Ihnen diese kleine Verwechslung nicht übel, denn ich bin die letzte Zeit schließlich selbst durcheinandergekommen.
Danke für das Foto! Mein Wohnzimmer sieht etwas spartanischer eingerichtet aus als Ihres. Ich sitze gerade in meinem schwarzen Lederstuhl, das Notebook auf dem Schoß und starre durch die Balkonscheibe nach draußen ins Dunkle. Ein Ausdruck von Ihrem Wohnzimmerbild lehnt am Bildschirm und gibt mir das Gefühl, Sie schon wieder ein bisschen besser zu kennen. Haben Sie vor dem Foto aufgeräumt? Wahrscheinlich stellen Sie es sich bei mir auch so sauber und ordentlich vor, daher werde ich Sie nicht enttäuschen und schicke lieber kein Bild von meinen Räumlichkeiten. Stattdessen hänge ich dieser Mail ein Bild von mir an!
Ja, ich finde, Ihr Freund Fiete hat recht, wir sollten mutig sein und diese Beziehung wie zwei Erwachsene führen. Natürlich will ich wissen, wie Sie aussehen!
Der Schnappschuss, den ich dieser Mail anhefte (sagt man das überhaupt so?), wurde im Frühling im Münchner Biergarten am Chinaturm gemacht. Die Bänke drum herum dürfen Sie sich grün vorstellen, meine Hose ist blau, was einen schönen Kontrast gibt.
Na, wie gefalle ich Ihnen?
Fotografische Füße
Ihr Berti
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Di 2. November 20:50
Betreff: AW : Zusammen auf dem Balkon
Von:
[email protected] An:
[email protected] Mein lieber Berti,
sehr witzig, wirklich!
Wer hätte gedacht, dass Sie doch über einen hintergründigen und ja fast hinterhältig-garstigen Humor verfügen. Mich so vorzuführen! Frechheit!
Schon als ich in meiner Inbox gesehen habe, dass Ihrer Mail ein Anhang «anheftet», hat mein Herz ein paar aufgeregte Hüpfer gemacht. Ich musste mich zwingen, nicht sofort die Datei «Berti.jpg» zu öffnen. Eine mehr als verlockende Versuchung!
Stattdessen habe ich mich nach Kräften bemüht, genussvoll und langsam erstmal die Mail zu lesen. Ich habe sogar, wie ich es immer tue, Ihre Zeilen noch ein zweites und ein drittes Mal gelesen, bevor ich dann – den Atem anhaltend – auf den Anhang klickte. Wie an der spannendsten Stelle eines Films habe ich mir mit der linken Hand die Augen zugehalten und zunächst nur mit einem winzigen Blinzeln gesehen, dass mein Computer von mir wissen wollte, ob ich den Zugriff auf dieses Foto wirklich zulassen wollte. Und wie ich das wollte!
Also habe ich auf «Zulassen» geklickt und mich mit geschlossenen Augen gefragt, ob hinter der Computersprache in diesem Fall ein tieferer Sinn steckt. Denn was, verdammt, würde ich damit zulassen?
Eine gefühlte Ewigkeit habe ich also da gesessen und innerlich über meine Unfähigkeit nachgedacht, mich auf etwas einzulassen, etwas «zuzulassen». Immer in der Sorge, dass Sie oder überhaupt irgendjemand sich mir nähert und dadurch meine kleine, romantisch verklärte Welt ins Wanken oder aber zur Explosion bringen könnte.
Ein kleines Engelchen auf meiner Schulter flüsterte mir zu, ich solle mein Herz öffnen und jenen Berti hineinlassen – ganz