Herz auf Umwegen
dich freuen«, knurrte sie. »Hast es geschafft. Ich gebe auf. Du hast freie Bahn. Kannst dir Grit schnappen.«
Janny schloss kurz die Augen. »Wenn ich darauf aus wäre, warum sitze ich dann hier?«, fragte sie leise.
»Pfff, was weiß ich«, maulte Katja.
»Wenn ich was von Grit wollte, wäre es mir ein Leichtes gewesen, mit ihr allein in den Urlaub zu fahren. Meinst du nicht?«
Leider wusste Katja seit einigen Stunden nur zu gut, dass das stimmte. »Was willst du dann?«
Einer dieser rätselhaften Blicke Jannys folgte. »Vielleicht wollte ich dich vor dir selbst schützen. Grit ist nicht die Richtige für dich.«
»Bitte was?« Trotz der Kopfschmerzen richtete Katja sich auf. »Du … du maßt dir an … du kennst mich doch gar nicht. Und überhaupt, es geht dich nichts an!«
»Ja, ich weiß. Dass habe ich mir auch gesagt. Aber …« Janny sah an Katja vorbei, zuckte mit den Schultern. »Eine schlechte Angewohnheit von mir. Ich mische mich oft in Dinge, die mich nichts angehen. Eine Art Ordnungssinn. Wenn ich etwas sehe, von dem ich denke, es ist falsch, versuche ich, es zu korrigieren.«
»Damit machst du dir sicher ´ne Menge Freunde«, erwiderte Katja beißend.
Jannys Blick fand zurück, durchdrang Katja förmlich. »Sagen wir mal so. Manchmal dauert es eine Weile, bis herzliche Gefühle aufkommen.«
»Wundert dich das?« Damit war für Katja alles gesagt. Sie verschanzte sich wieder hinter einer Mauer des Schweigens.
***
Ordnungssinn? Janny schüttelte den Kopf über sich selbst. Wenn du falsche Dinge so gerne korrigierst, warum sagst du Katja dann nicht die Wahrheit? Wer du bist, warum du hier bist. Nämlich, um Grit und sie auszuhorchen!
Janny saß auf einem harten Plastikstuhl gleich neben der Tür des Untersuchungszimmers, in dem Katja vor wenigen Minuten verschwunden war. Sie starrte auf ihre Hände.
Als sie vor gut einer Stunde mit Grit wieder im Sommerhaus angekommen war und Katja bewegungslos auf dem Boden im Wohnzimmer vorgefunden hatte, war ihr für einen Moment fast das Herz stehen geblieben. Grit hatte auf dem Rückweg angedeutet, dass sie Streit mit Katja gehabt hatte, wollte aber nichts Genaueres sagen. Angesichts der reglosen Katja hatten sie einander angestarrt und Janny sah in Grits Gesicht dasselbe Entsetzen, welches sie erfasst hatte. Sie dachten denselben erschreckenden Gedanken: Katja hat sich etwas angetan.
Janny kniete sich neben Katja, suchte ihren Puls und atmete erleichtert auf, als sie ihn erfühlen konnte. Sie nickte Grit zu. Die half ihr, Katja auf das Sofa zu legen. Ratlos sahen sie einander an, denn ebenso, wie sie das Erschrecken geteilt hatten, wurde ihnen langsam klar, dass es nicht Katja war, die sich etwas angetan hatte. Es gab keinerlei Anzeichen einer Selbstverletzung und ein leerer Tablettenblister lag auch nirgendwo herum. Einer Ahnung folgend, tastete Janny vorsichtig Katjas Kopf ab und stieß auf eine Beule an ihrem Hinterkopf. Damit stand fest: Jemand hatte Katja niedergeschlagen. Und dafür kam eigentlich nur ein Einbrecher infrage.
Die Tür des Untersuchungszimmers wurde geöffnet. Katja kam heraus.
»Es dauert ein paar Minuten, bis die Röntgenbilder fertig sind«, sagte sie und setzte sich neben Janny.
»Und? Wie fühlst du dich?«, erkundigte Janny sich.
Katja wandte langsam den Kopf zu ihr, sagte aber nichts.
Janny seufzte. Katja sah in ihr immer noch die an allem Schuldige. Wahrscheinlich machte Katja sie sogar dafür verantwortlich, dass jemand sie niedergeschlagen hatte. Immerhin war der Streit mit Grit der Anlass für Katjas vorzeitige Rückkehr zum Haus gewesen und nach Katjas Logik war sie, Janny, Ursache für den Streit. Damit verantwortlich dafür, dass Katja nach Hause geflüchtet war, wo sie sich prompt einen Schlag auf den Hinterkopf einfing.
Katja hasste sie. Und sie verdiente Katjas Verachtung! Aus einem anderen Grund zwar, aber welche Rolle spielte das?
»Hast du gesehen, wer dich niedergeschlagen hat?«, ver-suchte Janny, das Schweigen zwischen ihnen zu brechen. Sowohl, weil sie mehr über das Geschehene wissen wollte, als auch, um den eigenen Vorwürfen zu entgehen.
»Nein«, lautete die knappe Antwort.
»Und dir ist nichts aufgefallen, als du zum Haus kamst?«
»Da war ein Wagen, ein silberner Kombi, als ich ankam«, kam es stockend über Katjas Lippen. »Aber keine Menschenseele. Jedenfalls
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