Herz auf Umwegen
sich aber nicht so recht entschließen konnte. Bis es Katja dann doch gelang, Jannys Blick zu fangen. Das schien den Ausschlag zu geben. »Was findest du an Grit eigentlich so toll?«, überraschte Janny Katja mit einer ungewohnt persönlichen Frage.
»Fragst du das ernsthaft?«
»Ja.«
Katja musste nicht lange überlegen. Sie sah betrübt in Grits Richtung, während sie aufzählte. »Sie ist selbstsicher und trotzdem oft rührend hilflos. Sie ist witzig, ohne albern zu sein. Sie ist mitfühlend, auch wenn du sie so nicht kennst. Und last, but not least, sie sieht toll aus.« Katja seufzte. »Ihre Lippen fühlen sich wunderbar weich an«, erinnerte sie sich.
»Meine auch«, sagte Janny schlicht. »Wenn es dir hilft, biete ich mich als Ersatz an.«
Katjas Kopf sauste herum. Mit großen Augen sah sie Janny an. Die verzog keine Miene. »Du nimmst mich auf den Arm«, sagte Katja. Doch sicher war sie sich nicht.
Janny zwinkerte ihr zu. »Mag sein. Aber ernsthaft, sind nicht alle Frauenlippen weich? Jedenfalls alle, die ich bisher geküsst habe.«
»Du?«, wunderte sich Katja. Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Ja, was dachtest du?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich da denken soll.«
»Wieso?«
»Na wegen deines …«, Katja senkte die Stimme, »… anderen Jobs.«
Jannys Augen blickten fragend. Was Katja doch sehr wunderte. Hatte sie etwa vergessen, was sie in ihrer Freizeit tat?
»Ach so«, meinte Janny jetzt. Sie grinste. »Das. Aber das ist nur ein Job. Privat bevorzuge ich das weibliche Geschlecht. Ausschließlich.«
Katja musste sich arg zusammennehmen, um nicht mit dem Kopf zu schütteln. Dass Janny ihren Nebenjob so lässig nahm … das passte überhaupt nicht zum Rest von ihr. Aber was ging es sie an, dachte Katja. Außerdem, was wusste sie schon über Janny. Im Grunde nichts.
»Was hast du eigentlich gemacht, bevor du in unser Qualitätsmanagement gewechselt bist?«, fragte sie aus diesem Gedanken heraus.
»Ich habe freiberuflich ein Projekt in einem Gesundheitszentrum geleitet. Immer mehr Krankenkassen schließen nur noch Verträge mit zertifizierten Einrichtungen ab, daher musste ein QM-System etabliert werden.«
»Und? Warum bist du dort weggegangen?«
»Der Job war mit der erfolgreichen Implementierung der Prozesse abgeschlossen. Danach wurde ein QM-Beauftragter eingestellt, der billiger war.«
»Oh. Aber jetzt, bei uns, bist du fest angestellt?«
»Ja.« Janny lächelte. »Ich muss anfangen, an meine Zukunft zu denken. Ich werde achtunddreißig, dieses Springen von einem Job zum anderen wird immer schwerer. Die Firmen wollen zwar eine gewisse Erfahrung, aber auch jugendliche Dynamik. Die kann ich immer schwieriger verkaufen. Und die Konkurrenz wird auch größer.«
»Du hast Angst vor der Konkurrenz? Das nehme ich dir nicht ab.«
»Ach, aber dass ich jugendliche Dynamik nicht mehr verkaufen kann, das glaubst du?«, tat Janny beleidigt.
Katja zeigte sich unbeeindruckt. »Wenn du auf Komplimentefang bist, bin ich die falsche Adresse.«
Janny schmunzelte. »Schade.«
Katja schüttelte mit dem Kopf, wandte Blick und Aufmerksamkeit wieder der beeindruckenden Aussicht zu. Dabei ging ihr allerdings Jannys »Schade« im Kopf herum. Janny erwartete doch wohl kaum, dass sie mit ihr flirtete. Auch wenn das Kriegsbeil begraben war, so weit würde es nie kommen.
Würde Janny darauf eingehen?
Die Frage tauchte einfach so in Katjas Kopf auf. Katja war entsetzt darüber. Wie kam sie nur auf so eine Idee? Aber damit nicht genug. Sie wurde den Gedanken nicht wieder los. Er ärgerte sie den Rest des Weges bis zum Gipfel des Gilafjell, machte sie nicht nur Janny gegenüber wortkarg, sondern auch gegenüber den anderen beiden, als sie zu ihnen aufschlossen.
Am Aussichtspunkt legten sie eine Pause ein und aßen die mitgenommenen Sandwiches.
»Wo war denn jetzt die Fallgrube?«, fragte Grit kauend.
»Ich meine da hinten.« Janny zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Diese Vertiefung im Fels.«
»Das war alles?« Grit schüttelte den Kopf. »Gut, dass wir nicht deswegen hier raufgekommen sind.«
»Was hast du erwartet? Dass noch Zweige darüber liegen und Blätter?«, fragte Anke. »Und Spieße im Boden stecken?«, gluckste sie amüsiert.
»Das nun wieder nicht.«
»Ach, verstehe«, meinte Anke jetzt.
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