Herz auf Umwegen
»Ein Schild mit der Aufschrift ´Historische Fallgrube´, so wie das in Deutschland typisch ist?«
»Wäre das zu viel verlangt?«, fragte Grit verschnupft.
»Dazu eine Tafel, wer die Grube angelegt hat und in welchem Jahr«, piesackte auch Katja sie ein wenig.
»Und eine Statistik darüber, wie viele Tiere darin gefangen wurden«, setzte Janny noch einen oben drauf.
»Ja, ja, macht euch nur alle über mich lustig.« Grit verzog angesäuert das Gesicht.
Katja, die neben Grit auf dem Boden saß, strich ihr über den Arm. »Ist doch nur Spaß. Ich hab das Ding auch nicht bemerkt«, gab sie zu.
Grit lächelte dankbar. Und Katja konnte nicht verhindern, dass ihr Herz schneller schlug. Würde das jemals aufhören?
***
Grit schaltete den Motor aus. »So Mädels, wieder zu Hause«, verkündete sie und schwang sich aus dem Wagen. Janny, die diesmal vorne gesessen hatte, öffnete die Beifahrertür und stieg ebenfalls aus.
Die beiden hatten zunächst etwas gemault, als Katja Anke auf der Rückfahrt bat, ihr den Zeitungsartikel vorzulesen. Wozu sie solche Schauergeschichten im Urlaub brauche, wollte Grit wissen, und Janny meinte, sie hätten ja wohl genug Aufregung wegen des Einbruchs gehabt.
»Eben!«, betonte Katja. »Und das Ganze ist in der Nähe von Vang passiert. Da will man doch wissen, ob es ein Unfall war oder … na ja, eben etwas anderes. Vielleicht läuft ja ein Verrückter in der Gegend herum.«
»Katja, beruhige dich!« Janny drehte sich zu ihr um. »Es war sicher nur ein Unfall.« Sie nickte Anke zu. Die begann zu übersetzen.
Einen Teil von dem, was Anke vorlas, hatte sich Katja schon aus den Fernsehberichten zusammengereimt. Der andere Teil passte tatsächlich zur Unfallversion.
Am Fuß eines Abhanges war eine unbekannte männliche Leiche gefunden worden. Die Theorie der Polizei dazu lautete, dass es sich um einen unvorsichtigen Wanderer handelte, wahrscheinlich ein Urlauber, der zu dicht an den Abgrund gekommen und den durch die Witterung aufgeweichten Hang hinabgerutscht war. Der Mann war tödlich am Kopf verletzt im Gebüsch hängen geblieben. Dem pathologischen Befund zufolge war das Ganze bereits am Mittwochabend passiert. Die Polizei bat um Hinweise zu dem Opfer. Eine Beschreibung des Mannes und seiner Kleidung folgte.
»Na siehst du, Katja«, sagte Grit. »Beruhigt?«
»Passiert so was öfter?«, fragte Katja.
Anke nickte. »Leider gibt es viele Beispiele für den Leichtsinn von Touristen. Wanderer gehen bar jeder Ortskenntnis und ohne Karten in den Wald und verirren sich, weil sie sich nicht über die Ausmaße unserer Wälder im Klaren sind. Angler fahren ohne Schwimmwesten, aber mit reichlich Alkohol im Blut aufs Wasser und versenken sich fast selbst. Na ja, und wieder andere gehen zu dicht an steile Abhänge und brechen sich alle Knochen.«
Katja hatte den Kopf geschüttelt. Gab es tatsächlich so viel Leichtsinn? Den Rest der Fahrt hatte sie versucht, das Gefühl der Unruhe loszuwerden. Die anderen sollten sie nicht für paranoid halten.
Katja öffnete seufzend die Wagentür.
»Das war ein richtig schöner Tag«, sagte Anke von der anderen Seite her. »Nicht zuletzt dank euch. Ihr seid wirklich alle drei unglaublich nett. Ich bekomme richtig Lust, euch morgen auf die Kanutour zu begleiten.« Ankes Augen strahlten enthusiastisch.
»Warum auch nicht?«, meinte Grit. »Dann füllen wir zwei Zweierkanus. Ist doch besser, als einzeln zu paddeln. Kann einer immer mal ausruhen.« Sie schaute Janny an. Die nickte schulterzuckend und ging zum Haus.
Katja verfolgte mit gemischten Gefühlen, wie Anke sich zum zweiten Mal selbst einlud. Sie dachte an das Telefonat, das sie beim Kaminholzholen mit angehört hatte, »sie nicht misstrauisch machen« und »keine Sorge, ich bin dabei«, hatte Anke unwirsch ins Telefon gepresst. Im Moment war Anke nur dabei, sich ihnen aufzudrängen!
Oh je, ich bin doch paranoid!
Oder schon wieder eifersüchtig? Grit schien sich mit Anke gut zu verstehen. Das muss endlich aufhören, Katja. Du versuchst gerade, Anke etwas anzudichten, nur weil sie Grit in Beschlag nimmt.
Katja ging an den beiden vorbei ins Haus. Janny, die am Kühlschrank stand und sich ein Glas Saft eingoss, meinte lakonisch: »Sie scheint ein sehr großes Defizit an Gesellschaft mit Landsleuten zu haben. Oder kommt nur mir das so vor?«
Katja grinste.
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