Herz auf Umwegen
»Vielleicht eine neue Form von Stalking.« Sie fühlte sich irgendwie erleichtert. Also war sie doch nicht so verkorkst. Janny war es auch aufgefallen!
Grit kam herein. »Stalking?«, fragte sie. »Was heckt ihr beide denn aus?«
Draußen entfernte sich das Motorengeräusch von Ankes Jeep.
Janny sah Katja an. Dann Grit. »Wir fragen uns, was es mit Ankes Anhänglichkeit auf sich hat.«
»Wieso?«
»Findest du das normal? Erst taucht Haakon hier auf. Eigentlich sucht er seinen Hund. Er lädt uns zum Grillen ein. Das ist ja noch okay. Dann besucht Anke uns gestern Abend. Gut, sie war vielleicht neugierig, wie wir mit den Aufregungen rund um den Einbruch klarkommen. Aber dann will sie mit uns den Ausflug machen. Und nun begleitet sie uns morgen schon wieder. Also mir kommt es so vor, als beobachte sie uns«, stellte Janny fest.
»Nonsens«, widersprach Grit. »Warum sollte sie?«
Janny sah Katja an. Katja hob ratlos die Schultern.
12. Kapitel
Die Bergwelt sah, als kleiner dunkler Klecks in einem großen, blauen Fjordsee im Kanu sitzend, eindeutig mächtiger aus als von einem Gipfel.
Katja zoomte einmal mehr die Uferlandschaft heran und drückte auf den Auslöser ihrer Digitalkamera. Sie hoffte, so würde es den anderen nicht allzu sehr auffallen, dass ihre Kräfte immer wieder versagten und sie deshalb das Paddel ablegen musste. Katja unterdrückte ein Seufzen, das beim Gedanken an die nächsten anstrengenden Minuten auf ihren Lippen lag. Zu allem Überfluss war sie sich nur allzu bewusst, dass sie im Vergleich zu Janny, die mit kraftvollen, fließenden Armbewegungen das Paddel ins Wasser stach und durchzog, ein eher schwaches Bild abgab. Ankes angestrengtem Gesicht zufolge hatte sie, hinter Grit am Paddel, ähnliche Probleme. Gut, dass Janny und Grit nicht zusammen in einem Kanu saßen. Die beiden wären wie ein Pfeil von der Bogensehne davongeschossen, während Anke und sie wie zwei bleierne Enten gleich auf der Stelle gedümpelt hätten. Katja fragte sich, warum Anke eigentlich auf diese Paddeltour mit wollte, wenn sie sich hier so herumquälte.
»Geht es noch?«, fragte Janny von vorne.
»Ja, ja, kein Problem«, log Katja tapfer. Sie wollte sich keine Blöße geben. Umständlich knöpfte sie an ihrer Cargohose die Klappe der Beintasche auf, schob die Kamera hinein und knöpfte sie wieder zu.
»Du kannst dich ruhig noch ein wenig ausruhen«, bot Janny an.
Katja kniff die Lippen zusammen. Offenbar hatte Janny ihr Ablenkungsmanöver durchschaut. Aber wenn dem nun so war, warum sollte sie das Angebot ablehnen.
»Danke«, murmelte Katja und kramte in ihrem Rucksack nach einem Müsliriegel. Wenn sie den knabberte, bekamen wenigstens die anderen beiden nicht unmittelbar mit, dass sie schwächelte. Aber irgendwann war leider auch der Riegel gegessen und Katjas Stolz verlangte von ihr, dass sie wieder zum Paddel griff. Sie war heilfroh, als Grit gegen Mittag Halbzeit ausrief und vorschlug, Rast zu machen.
Zu Katjas eigener Überraschung bewältigte sie die Rücktour dann besser als die erste Hälfte des Tages. Die Aussicht auf eine Stunde totale Bewegungslosigkeit im Gartenstuhl, wenn sie zurückkamen, war aber auch sehr beflügelnd.
***
Katja schreckte auf. Sie blinzelte, um sich zu orientieren. Grit war auf den Waldweg eingebogen. Das Schwanken des Wagens auf dem unebenen Untergrund hatte Katja aus ihrem Kurzschlaf gerissen. Den sie offenbar an Jannys Schulter gelehnt verbracht hatte, wie Katja jetzt gewahr wurde. Sie richtete sich auf und sandte einen verlegenen Blick zu Janny. Die lächelte.
»Na? Wieder wach?«
»Tschuldigung«, murmelte Katja.
»Wofür?« Jannys Lächeln wurde tiefer.
Katja erwiderte es mit einiger Schieflage. Die Schmerzen in den Armen trugen ihren Teil dazu bei. Bei Janny schienen die Anstrengungen des Paddelausfluges kaum Spuren hinterlassen zu haben. Sie wirkte frisch.
»Sind wir zurück?«, fragte Katja, weniger, weil sie nicht wusste, wo sie waren, als um das Gefühl der Verlegenheit loszuwerden.
»In fünf Minuten«, erwiderte Janny.
Katja nickte, versuchte, mit ein paar Gesichtsmuskelbewegungen und Schulterrollen die Müdigkeit abzuschütteln. Dann lehnte sie sich in die Rücksitzbank und schaute nach vorn. Kurz darauf gab der Wald die Sicht auf den See und das Haus in Ufernähe frei.
»Sieh mal Anke, da ist Haakon.« Grit
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