Herz auf Umwegen
die alten Fanggruben. Oder fallen hinein.« Janny grinste.
Sie gingen zu der Miniausgabe einer Blockhütte. Die beschränkte Auswahl machte ihnen die Entscheidung einfach. An der Kasse fiel Katjas Blick auf die Zeitungsauslage. Es war das Bild auf der Titelseite, das ihr Interesse weckte. Es zeigte eine Polizeiabsperrung an einem Steilhang. Ein Bild, das Katja aus dem Fernsehen kannte, und sie wollte endlich einmal wissen, was da passiert war. Anke konnte ihr ja den Artikel dazu vorlesen, wenn sie unterwegs Rast machten. Deshalb kaufte Katja die Zeitung und packte sie in ihren Rucksack.
»Dort müssen wir lang«, sagte Janny draußen vor dem Laden und wies auf einen Wegweiser mit der Aufschrift »Nøsakampen 2 km«. Ein prüfender Blick auf die Karte in ihrer Hand. »Das ist der erste Aussichtspunkt. Wenn wir den erreicht haben, sind wir schon über 1400 Meter weit oben.«
»Braucht man da Sauerstoffmasken?«, witzelte Katja.
»Du schon«, neckte Grit sie.
Katja streckte ihr frech die Zunge raus.
Der Weg, den sie einschlugen, erinnerte durch seine felsigen Inseln entfernt an Kopfsteinpflaster. Etwas später wurde er zu einem schmalen Pfad. Markierungen gab es hier keine, abgesehen von ein paar Holzpfeilen mit der Inschrift »turmål«, was laut Anke Tourenziel bedeutete.
Den Nøsakampen erreichten sie nach einer knappen Stunde.
»Kein Kraxeln«, keuchte Katja, als sie dort ankamen. »Na, mir reicht´s.«
»Jetzt jammere nicht, genieße die Aussicht«, lachte Grit.
Katja schnaufte. Ja, die war wirklich schön. Fjordausläufer eingebettet in grüner Landschaft. Berge am blauen Horizont.
»Hier steht, man soll nicht den direkten Weg zum Gipfel nehmen, der ist unwegsam und schlecht markiert.« Janny gab einmal mehr kund, was im Guide stand. »Lieber dem deutlichen Pfad weiter in den Sattel zwischen Kruk und Geiteknappen folgen.« Sie stutzte, schüttelte den Kopf, schaute auf. »Also einfach geradeaus, immer den Pfad entlang.«
Sie marschierten weiter.
»Hier kann man so weit in die Ferne sehen, das ist einfach fantastisch«, rief Grit begeistert. »Anke, ich beneide dich. Du kannst so was jeden Tag erleben. Das alles ist quasi direkt vor deiner Haustür.«
»Na ja, direkt ist vielleicht ein wenig übertrieben«, meinte Anke.
»Für dich ist das alles nichts Besonderes, stimmt's?«, riet Grit.
»Stimmt«, bestätigte Anke.
»Unglaublich.«
Katja blieb stehen. Sie wusste, was Grit meinte. Man fühlte sich hier wie auf dem Dach der Welt. Einem kleinen Dach zwar, denn natürlich gab es wesentlich höhere Berge, aber wie oft stand man schon auf einem? Katja erinnerte sich nicht, in den letzten beiden Jahren ein ähnliches Erlebnis und ein solches Gefühl von Intensität gehabt zu haben. Lakonisch stellte sie fest: Du arbeitest zu viel, Katja.
Janny blieb etwas hinter Grit und Anke zurück. »Na, gib´s zu. Du hättest es bereut, das hier verpasst zu haben«, sagte sie zu Katja, die aufschloss.
Katja verzog spitzbübisch den Mund. »Ich hätte ja nicht gewusst, was mir entgeht.«
»Aber wir hätten dir von dem Ausflug vorgeschwärmt«, hielt Janny entgegen.
»Und ich euch von einem Faulenzertag in der Sonne.«
Janny lachte. »Bist du immer so?«
»Wie bin ich denn?« In Katjas Stimme lag Skepsis.
»Schwer zu beschreiben. Irgendwie störrisch, aber auf eine drollige Art und Weise.«
Katja runzelte die Stirn. Sie setzte zu einer brummigen Erwiderung an, doch dann musste sie grinsen. »Drollig?«, wiederholte sie. »Danke, jetzt fühle ich mich wie Pumuckl.«
Janny feixte. »Wenn ich an einen gewissen Abend auf der Fähre denke, kommt das gut hin.«
Katja drehte den Kopf kurz zur Seite. »Ich habe kein schlechtes Gewissen, und es wird dir nicht gelingen, mir eines einzureden. Das war … eine andere Situation.«
»Ah ja. Und was ist jetzt anders?«
Katja verrollte die Augen. Na schön, wenn Janny es unbedingt hören wollte. »Ich bin zur Einsicht gekommen.«
Janny klang unerwartet ernst, als sie erwiderte: »Das freut mich zu hören.«
Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Katja bemerkte, wie Janny mehrmals den Kopf zu ihr drehte und sie ansah. Aber immer, wenn sie ihren Kopf ebenfalls drehte, um Jannys Blick zu erwidern, hatte die ihren bereits wieder nach vorn gewandt. Katja hatte den Eindruck, dass Janny etwas sagen wollte,
Weitere Kostenlose Bücher