Herz auf Umwegen
sank.
»Haakon hat uns nach der Kanutour am Haus erwartet. Er wollte unbedingt diese Speicherkarte. Als er sie hatte, schlug er uns nieder. Und dann hat er uns offensichtlich in diese leer stehende Blockhütte eingesperrt. Die beiden Fenster sind mit Brettern vernagelt, die Tür vermutlich auch. Mein Handy ist weg. Was ist mit deinem?«
Katja griff an ihre Hosentasche. »Meines auch.«
Langsam kam die Erinnerung zurück. Katja fluchte innerlich. Die Speicherkarte! Kleines Ding, großer Ärger. Hätte sie sie doch nie gefunden!
»Wo ist Grit?«, fragte sie und sah sich um.
Janny schaute Katja ernst an. »Ich weiß es nicht. Sie ist nicht hier.«
»Sie ist weggerannt, als Anke mit Haakon kämpfte. Vielleicht konnte sie entkommen und ist schon dabei, Hilfe zu organisieren.« Ein Hoffnungsschimmer keimte in Katja auf. Zumindest für einen kurzen Moment, denn dann fiel ihr ein, dass die Sache auch anders aussehen könnte. Haakon konnte Grit eingeholt und ebenfalls niedergeschlagen haben. War Grit durch Haakons Schlag mehr als betäubt worden und deshalb nicht hier? Katja begann zu frösteln. Nein, Grit konnte fliehen. Ganz bestimmt.
Katja ermahnte sich, die Ruhe zu bewahren. Das war das einzig Richtige in dieser Situation. »Was glaubst du, hat Haakon vor?«
Jannys ohnehin ernste Miene verfinsterte sich um eine weitere Nuance.
»Erinnerst du dich, wie Anke sagte, dass sich jedes Jahr Urlauber in den Wäldern verirren«, fragte sie.
Katja nickte. Janny sah sie stumm an. »Du meinst, er will uns aussetzen?«
Janny atmete tief durch. »Nein. Jedenfalls jetzt noch nicht.«
»Was meinst du mit ´jetzt noch nicht´?«
»Er wartet.«
»Worauf?«
Janny schwieg.
Katja sah sie fragend an. Janny schloss eine Sekunde die Augen. Als sie sie wieder öffnete, wusste Katja mit einem Mal, was Janny meinte.
»Oh Gott.« Sie schluckte. »Er lässt uns hier sitzen, bis unsere Kräfte nachlassen. So will er sichergehen, dass wir nicht doch irgendwie zurückfinden.«
Janny seufzte. »Ich fürchte, auch das wäre immer noch zu unsicher für ihn.«
Katja blinzelte irritiert. »Aber was dann?« In der Dunkelheit konnte sie Jannys Gesicht nur undeutlich ausmachen, aber der düstere Blick darin war nach wie vor deutlich sichtbar. »Nun sag schon.«
»Katja, die Tür wird sich nicht öffnen, bevor wir …«, Janny brach ab.
Katja spürte, wie die kalte Hand der Angst sich in ihren Nacken legte. Entsetzen lief ihr schaudernd den Rücken hinab. Sie hatte endlich begriffen. Haakon beabsichtigte, sie beide hier verdursten zu lassen. Dann konnte er sie irgendwo im Wald ablegen. An einer Stelle weitab von jeglichem Tourismus. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ihre Leichen doch gefunden würden, vielleicht durch einen Jäger, sollte es so aussehen, als hätten sich mal wieder zwei Touristen im Wald verlaufen.
»Wir müssen hier raus«, sagte Janny. »Das ist unsere einzige Chance.«
»Ja. Aber wie?«
»Die Fenster sind trotz Verrammelung die Schwachstelle unseres Gefängnisses. Wir müssen eine der Scheiben einschlagen und versuchen, die Bretter dahinter irgendwie aufzubrechen.«
»Suchen wir nach Werkzeug«, schlug Katja vor.
»Habe ich schon. Mehr als alte Töpfe und verrostetes Besteck habe ich nicht gefunden.«
»Schade.« Katja griff nach einem der Holzstühle. Er wackelte bereits in all seinen Verbindungen und es gelang ihr ohne viel Mühe, eines der Beine zu lösen. »Dann muss das hier genügen.« Sie ging zum Fenster. Mit einem kräftigen Stoß brachte sie das Glas zum Zerbersten. Weitere gezielte Schläge entfernten die nun lose im Rahmen hängenden Scheibenteile. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Dann bedeutete Katja Janny, ihr zu helfen. Sie schoben den Tisch unters Fenster. Katja kletterte auf ihn und postierte sich vor dem entstandenen Loch. Sie legte all ihre Kraft in den Tritt und konzentrierte sich darauf, mit der vollen Fläche der Fußsohle zu treten. Doch statt des erhofften Berstens der Bretter hörte sie nur einen dumpfen Aufprall. Unmittelbar darauf spürte sie den Schmerz im Knöchelgelenk. Dazu federte ihr Fuß so stark zurück, dass Katja das Gleichgewicht verlor und fast vom Tisch gefallen wäre.
»Verdammt«, fluchte sie laut. »Die Dinger sind stabil.«
»Scheinbar erst vor Kurzem angebracht«, meinte Janny. »Ich sehe keine Anzeichen von
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