Herz auf Umwegen
die Schultern.
Nachdem Lydia gegangen war, meinte Katja. »Alles dreht sich nur noch um die Präsentation. Bin ich froh, wenn die erst vorbei ist.«
»Bist du denn für eine Fusion mit FORCE?«, fragte Janny. Sie ging zurück zum PC, sank auf ihren Stuhl und drehte sich mit diesem so, dass sie Katja ansah. Dabei lehnte sie sich zurück.
Katja folgte Janny, setzte sich neben sie auf den frei gewordenen Stuhl von Lydia. »Ehrlich gesagt, ist es mir egal«, meinte sie. »Aber Holst ließ durchblicken, dass sich die Chefetage eine markante Umsatzsteigerung nach der Fusion verspricht. FORCE plant eine Riesen-Werbekampagne. Davon profitieren wir natürlich mit. Und das kann ja nur gut sein. Oder was denkst du?«
»Hm, schon richtig. Vor allem aber bleibt abzuwarten, ob FORCE seinen Absatz verbessern kann. Denn das ist es ja sicher, was man sich dort von dem neuen Konzept verspricht. Wenn sich die Erwartungen nicht erfüllen, wer weiß, wie FORCE darauf reagieren wird.«
»Falls sich die Erwartungen nicht erfüllen sollten. Ich glaube, deren Marketingabteilung hat das geplante Konzept gründlich analysiert. So eine Entscheidung bricht man ja nicht übers Knie, oder?«
»Wahrscheinlich hast du recht.« Janny hatte das Baguette bis auf einen letzten Bissen aufgegessen, den sie jetzt in den Mund schob.
»Na, jedenfalls kommt es gerade richtig, dass du Lydia mal einnordest, was ihre Unterlagen betrifft.« Katja schmunzelte kurz. »Nicht nur des Audits wegen. Auch mit Hinblick auf einen möglichen Zusammenschluss. FORCE wird sich ja nicht nur unsere Bilanzen ansehen.«
»Hier herrscht wirklich das Chaos«, klagte Janny. »Ist das denn bisher niemandem aufgefallen? Du bist doch auch oft hier unten gewesen.«
Katja zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt habe ich mir keine Gedanken darum gemacht.«
»Verstehe ich nicht.« Janny schüttelte den Kopf. »Als Prozessingenieurin kennst du doch die Normen.«
»Ich kann mich aber nicht um alles kümmern«, erwiderte Katja lächelnd. »Das Labor ist Lydias Bereich. Hätte ich sie etwa bei Holst anschwärzen sollen?«
»Nein, aber ihr die Leviten lesen.«
»Ja, das hätte ganz sicher geholfen«, spöttelte Katja.
Janny runzelte die Stirn. »Einen Versuch wäre es doch wohl wert gewesen.«
Jetzt legte sich auch Katjas Stirn in leichte Falten. »Sag mal, kann es sein, dass du schlecht gelaunt bist?« Sie schaute Janny irritiert an.
»Wieso? Ich sage doch nur, du hättest deiner Kollegin, zu der du ja wohl ein ganz gutes Verhältnis hast, mal auf die Finger klopfen können«, beharrte Janny.
»Das hätte nichts genützt!«, wiederholte Katja, diesmal ohne jeden Spott in der Stimme. Sie fühlte sich zu unrecht angegriffen. »Du kennst Lydia ja nun auch ein wenig. Sie ist nett, aber eine Chaotin. Da hilft keine Freundin oder Kollegin, die mahnend den Finger hebt. Da braucht es eine Autorität mit klarer Ansage. So wie dich jetzt.«
»Ausrede«, murmelte Janny.
Katja zog einmal tief die Luft ein. »Du bist schlecht gelaunt«, stellte sie fest, atmete aus und erwiderte ruhig: »Na ja, irgendwie nachvollziehbar, bei dem hier. Aber ich kann nichts dafür.«
Janny setzte zu einer Erwiderung an, doch dann seufzte sie nur und schüttelte erneut mit dem Kopf. Diesmal sah sie dabei aber nicht Katja an, sondern hatte die Augenlider geschlossen. »Entschuldige«, murmelte sie.
»Schon gut.«
Janny fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Nein, ich … das war überflüssig. Ein ungerechtfertigter Vorwurf.«
Katja lächelte. »He, kein Problem. Das kommt schon mal vor.« Sie zwinkerte. »Auch bei jemandem, der mit zwei Brüdern aufgewachsen ist und es gelernt hat, sich zu beherrschen.«
Janny verzog das Gesicht. »Machen wir mit der Arbeit weiter. Die Protokolle, von denen Lydia gesprochen hat, liegen dort im Regal. Du musst sie einfach nur nach dem Datum sortieren.«
»Alles klar.« Katja griff nach dem Stapel und zog sich mit diesem an den anderen Labortisch zurück.
Lydia kam fünfzehn Minuten später von Holst zurück. Fünfzehn Minuten, in denen im Labor Schweigen geherrscht hatte. Sehr zu Katjas Verdruss. Nicht mal ein paar belanglose Worte kamen über Jannys Lippen. Katja schaute immer wieder zu ihr, hoffte, Janny würde sich wenigstens durch einen kurzen Blick mit ihr verständigen. Aber sie wartete vergebens. Auch die folgende
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