Herz auf Umwegen
die Stirn. Das hörte sich ganz vernünftig an. Wie ein Ausweg aus ihrer vertrackten Lage. Und vor allem, als würde sie Katja nicht verlieren.
Nicht verlieren?
Janny ließ sich in einen der Besuchersessel plumpsen. Als wenn sie und Katja irgendeine Art von Beziehung hätten. Freilich, seit der gemeinsamen Zwangswanderung durch norwegische Wälder war Katja ihr gegenüber weitaus zugänglicher. Aber was Volkers Kommentar anging - so sehr Janny sich wünschte, er hätte recht damit - wie wahrscheinlich war es, dass Katja sich plötzlich für sie interessierte?
»He, Janny.« Volker zwinkerte ihr zu. »Lad‘ das Mädchen zum Essen ein, schenk ihr was Nettes. Frauen mögen, wenn man sie verwöhnt. Und mach dir keine Sorgen. Alles ist prima gelaufen. Niemand hat von unserem kleinen Komplott etwas mitbekommen. Und so wird es auch bleiben.«
21. Kapitel
»Du hast mich gar nicht besucht«, schmollte Grit. Sie hob wie zur Anklage die Hand, sodass Katja die Operationsnarbe sehen konnte.
»Entschuldige, wir hatten so viel um die Ohren. Das kennst du doch. Nach dem Urlaub hat man doppelt Stress. Dann noch die Präsentation …, die voll nach hinten losging.«
»Was?«
»Ja. Das war die totale Blamage.«
»Aber wie konnte das passieren?«
»Keine Ahnung. Lydia und ich haben das ganze Wochenende im Labor getüftelt. Wir haben keinen technischen Fehler gefunden. Alles läuft wieder. Ich war schon bei Holst. Er hat gleich einen Termin mit den FORCE-Managern gemacht. Diesmal in kleinem Kreis. Er traut uns wohl nicht.«
»Und das wurmt euch.«
»Kannst du dir ja denken.«
»Ihr sucht weiter?«
»Ja, aber viel Hoffnung, dass wir noch herausfinden, woran es lag, habe ich nicht.«
»Hm«, machte Grit. »Du scheinst in letzter Zeit Katastrophen magisch anzuziehen. Erst das Drama im Urlaub, jetzt das.«
»Danke, das muntert mich echt auf.«
»Wo ist denn Janny?«
»In der Fertigung. Nachdem sie letzte Woche bei Lydia die Herausforderung ihres Lebens bewältigen musste …« Katja hielt inne, zog leicht die Mundwinkel nach unten. Was wusste sie schon über die Herausforderungen, die Janny zu bewältigten hatte. Was wusste sie überhaupt über Janny? Doch nur, dass sie ihr immer rätselhafter wurde, je mehr sie über sie erfuhr. »Na jedenfalls ist sie bei Raabe und nimmt die Fertigungsabläufe unter die QS-Lupe.«
»Dann gehe ich mal runter, um sie zu begrüßen.«
Katja sah Grit nach, setzte sich und öffnete ihr Postfach. Während sie ihre Mails durchsah, wanderten ihre Gedanken wieder zu Janny.
Und nicht zum ersten Mal fragte Katja sich, warum ihre Gedanken das eigentlich taten? Es gab keinen Grund mehr, Janny zu verfluchen, dass sie ihr Grit wegschnappen wollte. Den hatte es nie gegeben. Und das war endlich bei ihr angekommen. Aber es waren auch keine »Hol dich der Teufel-Gedanken“, die Katja beschäftigten. Es war eine Mischung aus Frust und Sorge. Frust darüber, dass die Rätsel um Janny sie so sehr beschäftigten. Sorge, ob Janny wirklich alles im Griff hatte, wie sie ja wohl glaubte. Immer neue Katastrophenszenarien spielten sich in Katjas Kopf ab. Der größte Teil endete damit, dass sie Janny im Gefängnis besuchte. Jedes Mal, wenn Katja an diesem Punkt angelangt war, schalt sie sich, dass das Unfug sei, aber sie unterlag immer wieder den Auswüchsen ihrer Fantasie. Zulasten ihrer Konzentration, denn als Holst anrief und den Termin für die Präsentation noch einmal verschob, stotterte Katja bei den wenigen Worten, die sie erwiderte, so sehr, dass ihr Chef misstrauisch fragte: »Frau Winter, es ist doch wirklich alles klar für die Vorführung?« Und ein eindringliches »Noch eine Blamage können wir uns nicht leisten!« hinzufügte.
Katja versicherte ihm hastig, dass ein erneutes Versagen der Anlage ausgeschlossen sei. Als sie den Hörer auflegte, fühlte sie sich wie ein vom Tisch gefallenes, rohes Ei: zerschlagen und zu nichts mehr zu gebrauchen.
Zu allem Überfluss begegnete ihr Alexas eindringlicher Blick, der mit der wenig aufmunternden Feststellung endete: »Du siehst echt mies aus, Katja.«
Katja sandte ihr ein schiefes Lächeln und verkroch sich bis zur Mittagspause hinter ihrem PC. Alexas Aufheiterungsversuche prallten an ihr ab.
Raabe klingelte kurz nach zwei durch und erinnerte sie an die Fertigungsbesprechung, die jeden Montagnachmittag
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