Herz auf Umwegen
stattfand und mit der man bereits begonnen hatte. Ob ihr was dazwischengekommen sei? Er klang sehr verständnisvoll, drängte auch nicht. Nach dem schwarzen Freitag wollte er sie vermutlich schonen.
Schnell zog Katja sich den Kittel über und flog die Treppe hinunter in die Fertigungsetage. Im Pausenraum saßen Raabe, seine Einrichter und Janny. Katja murmelte eine Entschuldigung für ihr Zuspätkommen. Sie zog sich einen Stuhl heran. Raabe nannte für sie noch einmal das Thema, über das man gerade gesprochen hatte. Das Audit in knapp zwei Wochen. Dann übernahm Janny das Wort.
Katja ermahnte sich eindringlich zur Konzentration, und ob es nun an der Ermahnung lag oder nicht, es klappte unerwartet gut - zumindest, was Jannys Person anging. Ihre Augen hingen an Janny, verfolgten deren Bewegungen und Mienenspiel. Jedes Mal, wenn ihre Blicke sich kreuzten, fühlte Katja ihr Herz ein wenig schneller schlagen. Besonders die Male, die Jannys Blick länger bei ihr verweilte. Gegen ihren Willen senkte Katja dann verlegen die Lider.
Nachdem zum Thema Audit alles gesagt war, ging man zum nächsten Punkt über, den turnusmäßigen Wartungsarbeiten. Hier war Katja gefragt, die über die Liefertermine der Ersatzteile informierte. Daraus und aus den Auftragsprioritäten legte man gemeinsam die Reihenfolge der Arbeiten fest.
Im Anschluss an die Besprechung blieb Katja auf die Bitte Raabes hin noch da, um sich eine der Nähstationen anzusehen, die seit einiger Zeit permanent schwächelte. Für diese müsse er bei den Wartungsarbeiten einige Extrastunden investieren, es sei denn, man trage sich »oben« mit dem Gedanken eines Austausches, wie er es bereits mehrmals vorgeschlagen hatte. Katja kannte das Problem und versprach ihm auch, bei nächster Gelegenheit Grit oder Holst daran zu erinnern, konnte Raabe aber nichts zusichern.
Dann ging sie zurück ins Büro. Auf der Treppe hörte Katja plötzlich hinter sich Jannys Stimme. »Katja?«
Sie drehte sich um. »Ja?«
Janny stieg noch einige Stufen hoch, sodass sie einander gegenüberstanden. Sie lächelte, offenbar auf der Suche nach Worten, denn es entstand eine Pause. Jetzt holte Janny tief Luft. Doch immer noch schienen ihr die Worte zu fehlen. Statt etwas zu sagen, schickte sie lediglich ein langes Ausatmen hinterher. Im zweiten Anlauf reichte es dann immerhin für ein gestottertes: »Ich wollte dich fragen … das kommt jetzt bestimmt unerwartet, sicher…, aber … ich …« Janny brach ab.
Katja glaubte, sie so etwas wie »Mist« murmeln zu hören. Fragend schaute sie Janny an. So sah jemand aus, der in der Bredouille steckte, schoss es ihr durch den Kopf, und eine Ahnung drängte sich Katja auf. Eine, die ihre schlimmsten Befürchtungen heraufbeschwor.
War der beste Zeitpunkt für einen Bankeinbruch nicht das Wochenende? Zwei Tage, bis der Schaden entdeckt wurde. Zwei Tage Zeit, die Beute verschwinden zu lassen, und falls was schiefging …
»Hast du Probleme mit der Polizei?«, fragte Katja so gefasst wie möglich. Sie zögerte kurz. »Brauchst du ein Alibi?«
Janny starrte sie an. »Würdest du mir denn eines geben?« Das Angebot überraschte sie offensichtlich. Zumindest die Tatsache, dass sie es so leicht bekam.
Katja schluckte. »Ja«, sagte sie entschlossen. »Wenn du mir erzählst, was passiert ist.«
Janny neigte den Kopf. Katja fühlte den eindringlichen Blick auf sich. Wog Janny das Risiko ab?
»Das ist ein faires Angebot«, sagte Katja fest und hielt dem Blick stand.
»Ja, das ist es«, sagte Janny langsam. »Aber eigentlich wollte ich dich nur zum Essen einladen.«
Katja blinzelte. »Was?«
»Nichts Großartiges, nur eine Kleinigkeit. Sagen wir um acht bei mir?« Janny griente linkisch. »Du weißt ja, wo das ist.«
»Äh, ja.«
»Schön, ich muss wieder zurück. Bis heute Abend dann.«
Katja sah Janny verdattert nach. Hatte sie denn zugesagt? Eigentlich bezog sich ihr Ja auf das Wo und nicht auf das Ob. Doch es war zu spät, um darüber zu feilschen. Und wenn sie ehrlich war, wollte sie es auch gar nicht. Was Katja allerdings schon wollte, war die Antwort auf die Frage: Warum lud Janny sie zum Abendessen ein?
Aber die würde sie ja dann heute Abend bekommen.
***
»Komm rein.« Janny trat zur Seite, um Katja einzulassen.
»Bin ich zu früh?«
»Nein.« Janny warf das Küchenhandtuch in ihrer Hand
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