Herz aus Eis
Zuhause.“
„Aber sie fürchtet, dass Sie hier depressiv werden und den Mut verlieren.“
„Waren das etwa ihre Worte?“ Er hatte Mühe, den Sarkasmus aus seiner Stimme herauszuhalten.
„Ja, genau so sagte sie es. Ich habe die Telefonnotiz hier in meinen Akten …“
Er runzelte ungläubig die Stirn. Cosima war alles andere als sentimental und besaß praktisch keine Spur von Mitgefühl. Warum also wollte sie ihn unbedingt zurück in Athen sehen? Er musste mehr über Cosimas plötzlichen Edelmut erfahren. „Und so hat sie also Sie zu mir geschickt, um mich zu retten?“
„Nicht retten“, verbesserte sie. „Motivieren. Sie wieder auf die Beine bringen.“
„Und sehen Sie nur!“ In einer pompösen Geste breitete er die Arme aus. „Heute bin ich aufgestanden, morgen besteige ich den Mount Everest.“
„Na, vielleicht nicht den Mount Everest. Aber dass Sie wenigstens bei Ihrer Hochzeit allein laufen können.“
Hochzeit? Hochzeit?!
Kristian wusste nicht, ob er laut lachen oder brüllen sollte. Seine Hochzeit. Mit Cosima. Die Verlobte seines verstorbenen Bruders. Grundgütiger, das erinnerte ja an eine antike griechische Komödie von Aristophanes! Eine derbe Posse, basierend auf einer Tragödie. Cosima und Calista spannen ihr Netz und übernahmen dabei die Rollen von Penia, Göttin der Armut, und Amechania, Göttin der Hilflosigkeit. Göttinnen, die andere mit ihrer berüchtigten Tücke und Gier quälten.
Nun, jetzt wusste er Bescheid. Er würde sich nicht länger quälen lassen. Im Gegenteil, er würde sein eigenes griechischesDrama schreiben. Und wenn alles nach Plan lief, erhielt Schwester Hatchet sogar eine führende Rolle in dem Stück.
„Sagen wir ihr einfach nicht, dass ich es weiß“, meinte Kristian. „Wir arbeiten hart und überraschen sie dann mit meinen Fortschritten.“
„Also, wo fangen wir an? Was tun wir als Erstes?“
Ihr Enthusiasmus hätte ihn fast zum Lächeln gebracht. Sie war so zufrieden mit ihm. „Ich habe bereits einen Therapeuten aus Sparta bestellt.“ Damit machte er klar, dass es seine Entscheidung war, seine ganz allein. „Er wird morgen hier ankommen.“
„Und bis dahin?“
„Oh, ich werde mich entspannen, ein wenig schlafen, vielleicht schwimmen.“
„Sie schwimmen?“, Elizabeth konnte ihr Erstaunen nicht verbergen.
Jetzt lächelte er tatsächlich. Sie klang so verdutzt. Sie glaubte wirklich, dass er überhaupt nichts für sich tat. „Ich schwimme schon seit zwei Wochen.“
„Seit die letzte Schwester gegangen ist, nicht wahr?“
Er antwortete nicht, brauchte nicht zu antworten.
„Zeigen Sie mir den Pool?“, fragte sie voller Elan.
Fast empfand er Mitleid mit ihr. Sie tat, was sie für das Richtige hielt. Nur … ihre Vorstellung davon, was richtig war, entsprach nicht dem, was er wollte oder brauchte. „Natürlich. Kommen Sie mit.“
Kristian fuhr selbst mit dem Rollstuhl über die Terrasse, auf der sie vorhin den Lunch eingenommen hatten, und weiter über gepflasterte Wege. Elizabeth lief neben ihm her. Sie gingen am Springbrunnen vorbei und tiefer in den Garten hinein. Hier gab es nur Kieswege, sodass die Räder des Öfteren in den losen Steinchen versanken und Kristian konzentriert manövrieren musste, um weiterzukommen.
„Die Gärten sind wunderschön.“ Elizabeth ging langsam genug, damit Kristian mithalten konnte. „Wären die Wege hier gepflastert, kämen Sie mit dem Rollstuhl besser zurecht“, merkte sie an. Bewundernd sah sie auf seine starken Arme hinunter.
Seine Wangen wurden dunkler. „Der Vorschlag kam schon vor Monaten auf. Aber da ich wusste, dass ich nicht ewig im Rollstuhl sitzen werde, habe ich es nicht machen lassen.“
„Also hatten Sie nie vor, den Rest Ihres Lebens auf den Rollstuhl angewiesen zu sein?“
Die Stirn gerunzelt, die Augen zusammengekniffen, hob er den Kopf und wandte ihr das Gesicht zu, so als könne er sie sehen. Die Frage gefiel ihm nicht. Sie erinnerte ihn daran, wer er war und was er in seinem Leben erreicht hatte.
Während Elizabeth ihn aus dem Augenwinkel beobachtete, wie er sich über den Kiesweg kämpfte, schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass Kristian vielleicht nicht aus Faulheit in dem Stuhl sitzen geblieben war, sondern weil er sich ohne Augenlicht schutzlos fühlte. Vielleicht war der Stuhl für ihn weniger ein Fortbewegungsmittel denn ein Schutz, eine Art Rüstung, in der er sich sicherer fühlte.
„Sind wir schon bei der Hecke?“, fragte er und blieb stehen.
„Ja, sie
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