Herz aus Eis
Elizabeths Worte. Cosima sollte an ihn glauben? Aber vielleicht glaubte sie ja wirklich, ihm etwas schuldig zu sein. Vielleicht fühlte sie sich ebenso schuldig wie er. Sie lebte, während Andreas tot war. Und Kristian hatte die Entscheidung getroffen. Er hatte an jenem Tag Herr über Leben und Tod gespielt. Hatte Gott gespielt.
Kein Wunder, dass die Albträume ihn verfolgten. Selbst während des Tages. Er konnte die Entscheidung, die er getroffen hatte, nicht akzeptieren. Konnte einfach nicht akzeptieren, dass die Entscheidung nicht mehr rückgängig zu machen war.
Kristian Koumantaros, mit all seinem Geld und all seinem Einfluss, konnte das eine, das er sich am meisten wünschte, weder kaufen noch anderweitig erreichen – das Leben seines Bruders.
Doch Elizabeth wusste von all diesen Gedanken nichts und redete weiter: „Jetzt, da Sie es wissen, ist der Vertrag ungültig geworden. Ich kann nicht länger bleiben.“
„Natürlich können Sie“, widersprach er brüsk. „Cosima muss ja nicht erfahren, dass ich es weiß. Warum ihren hübschen kleinen Plan ruinieren?“
Seinen Worten folgte absolute Stille. Er glaubte schon, sie sei gegangen, doch dann vernahm er ein leises Rascheln und einen noch leiseren Seufzer.
„Sie will nur das Beste für Sie“, sagte Elizabeth besorgt. „Bitte, seien Sie ihr nicht böse. Cosima machte einen so herzlichen Eindruck auf mich.“
In diesem Moment fand Kristian etwas sehr Wichtiges über Elizabeth Hatchet heraus.
Sie mochte die besten Absichten haben, doch sie war ein lausiger Menschenkenner.
Es lag ihm schon auf der Zunge zu fragen, ob sie wusste, dass Cosima und Calista zusammen zur Schule gegangen waren. Ob sie wusste, dass die beiden Frauen sich über ein Jahr lang eine Wohnung geteilt und beide als Model gearbeitet hatten. Er könnte ihr auch sagen, dass die beiden Frauen die besten Freundinnen gewesen waren, bis ihre Lebenswege völlig entgegengesetzte Richtungen eingeschlagen hatten.
Cosima lernte Andreas Koumantaros kennen und wurde erst die Freundin, dann die Verlobte eines der reichsten Männer Griechenlands.
Calista dagegen hatte nicht so viel Glück. Sie bekam nicht einmal genug Modeljobs, um die Miete zahlen zu können. Also verdingte sie sich als Tänzerin in einem Nachtklub.
Nach zwei Jahren hatten die beiden ehemaligen Freundinnen absolut nichts mehr gemein. Cosima lebte ein luxuriöses Leben als verwöhnte Braut, Calista musste zusehen, wie sieihre Rechnungen bezahlte.
Und dann schlug das Schicksal zu und glich den Punktestand wieder aus. Andreas starb in der Lawine, Cosima überlebte, verlor aber den luxuriösen Lebensstil. Und Calista … nun, Calista hatte sich wohl eingebildet, sie könnte sich ihren eigenen Sugardaddy angeln.
Selbst wenn dieser behindert war.
Ein Mundwinkel zuckte verächtlich nach oben. Calista war übrigens nicht die Erste, die dies versucht hatte. Gut ein Dutzend Frauen aus ganz Europa waren an sein Klinikbett geeilt, hatten Blumen, Geschenke und Liebesschwüre mitgebracht. Ich liebe dich. Ich werde für dich da sein. Ich werde dich nie verlassen.
Es wäre ja noch in Ordnung gewesen, wenn auch nur eine es ehrlich gemeint hätte. Doch die Damen waren nichts als Glücksritterinnen, Opportunistinnen, für die sich das Zusammenleben mit einem Invaliden durchaus ertragen ließe, wenn dieser Invalide ein millionenschwerer griechischer Tycoon war.
Wut schoss in Kristian auf. Glaubten die Frauen eigentlich alle, nur weil er nicht sehen konnte, könne er auch nicht mehr denken?
Und noch eine Frage drängte sich ihm auf: Kannte er wirklich nur oberflächliche, egoistische und materialistische Frauen?
„Sie haben Cosima also getroffen?“, fragte er tonlos.
„Wir haben nur miteinander telefoniert. Aber ihre Sorge um Sie hat mich tief berührt. Sie muss ein gutes Herz haben, Sie dürfen es ihr unmöglich verübeln, dass sie Ihnen helfen will. Das wäre nicht fair.“
Kristian rieb sich das Kinn. „Sie haben recht. Und Sie sagten ja, dass sie sich nichts mehr wünscht, als dass ich wieder auf die Beine komme.“
„Ja, genau. Sie macht sich wirklich große Sorgen um Sie. Sie hat geweint am Telefon. Sie hat Angst, dass Sie sie ausschließen wollen, dass Sie den Kontakt abbrechen wollen …“
„Tatsächlich?“ Das verwunderte ihn nun doch. Hoffte Cosima etwa auf eine wie auch immer geartete gemeinsame Zukunft mit ihm? Die Vorstellung war grotesk und absurd!
„Sie meint, Sie leben hier zu abgeschieden.“
„Es ist mein
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