Herz aus Eis
zurückhalten konnte, kletterte sie die Stufen empor und verschwand durch den Eingang in dem Privatjet.
Außer der Crew war niemand sonst in dem eleganten Kabinenraum.Elizabeth setzte sich in einen der bequemen Ledersessel und schnallte den Sicherheitsgurt an.
Es würde eine sehr stille Reise nach Hause werden.
Zurück in London, stürzte Elizabeth sich auf die liegen gebliebene Arbeit. Es war ihr nur recht, Abrechnungen aufzuarbeiten, sich um Extrawünsche von Patienten zu kümmern, sich die Beschwerden der urlaubsreifen Schwestern anzuhören. Jede Stunde Arbeit bedeutete Ablenkung, dann dachte sie nicht an Kristian und die zwei chaotischen Wochen, die sie in Griechenland verbracht hatte.
Jetzt, da sie wieder jeden Tag nach Richmond pendelte, konnte sie sich beim besten Willen nicht erklären, was genau passiert und wie es überhaupt dazu gekommen war. Ihr Interesse an Männern und Affären war praktisch nicht existent gewesen, auf eine Familie war sie auch nicht aus. Sie wollte nur in Ruhe arbeiten und ihre Firma leiten. Für Elizabeth vereinte der Pflegedienst alles in sich, Berufs- und Privatleben, und anders wollte sie es gar nicht haben.
Das Leben der unscheinbaren Elizabeth Hatchet war besser als das der glamourösen Grace Stiles, der die Welt zu Füßen lag. Besagte Welt war so oder so nichts als Illusion. Elizabeth hatte es auf schmerzhafte Weise erfahren: Je mehr man besaß, desto größer war der Neid der anderen.
Und der Neid führt dazu, dass sich die Neider zusammentun, um dich zu Fall zu bringen. Da ist es schon viel besser, ein anspruchsloses, beschauliches Leben zu führen, dachte Elizabeth und sortierte Unterlagen für die Arbeit zu Hause in ihren Aktenkoffer.
Auch heute würde sie wieder früher gehen. Eine Magen-Darm-Grippe machte ihr zu schaffen, sie fühlte sich nicht wohl. Seit zwei Monaten war sie jetzt wieder in England, und eigentlich war sie die ganze Zeit nicht wirklich sie selbst gewesen. Seit der Rückkehr aus Griechenland.
Die Sekretärin sah auf, als Elizabeth die Verbindungstür öffnete. „Noch immer Probleme mit dem Magen, Miss Hatchet?“,fragte sie mitfühlend und setzte sich die Lesebrille von der Nase auf den Kopf.
Mrs. Shipley war die beste Assistentin, die man sich wünschen konnte. Während Elizabeths Abwesenheit hatte sie die Firma praktisch allein weitergeführt.
„Ja, leider.“ Elizabeth verzog das Gesicht, als eine Welle der Übelkeit sie überkam.
„Sie sollten besser einen Arzt aufsuchen. Was Sie sich da in Griechenland eingefangen haben, scheint hartnäckig zu sein. Sie sehen richtig blass aus.“
Mrs. Shipley hatte recht. Elizabeth fühlte sich elend. In ihrem Kopf hämmerte es, ihr Magen drehte sich entweder oder krampfte sich zusammen, und Schlaf brachte ihr auch keine Erholung, weil sie ständig wirres Zeug träumte.
Allerdings gab es da eine ganz andere Überlegung, die ihr unendliche Furcht einjagte. Eine Möglichkeit, der sie sich nicht stellen wollte. Vielleicht hatte sie sich keinen Virus eingefangen, sondern etwas sehr viel Ernsteres.
Wie zum Beispiel Kristian Koumantaros’ Kind.
Seit zwei Monaten war sie zurück, und seit zwei Monaten ließ ihre Periode auf sich warten. Was an sich nichts Ungewöhnliches war. Ihr Zyklus war schon immer sehr unregelmäßig. Dennoch brachte sie es nicht über sich, sich einen Schwangerschaftstest zu besorgen.
Wenn sie nicht schwanger war – fantastisch.
Wenn sie schwanger war …
Ja, was dann?
Als Elizabeth am nächsten Morgen erwachte, überkam sie die Übelkeit so vehement, dass sie sich eiligst aufrappelte und ins Bad stürzte. Alles drehte sich vor ihren Augen, und nur ein Gedanke herrschte in ihrem Kopf vor: Was, wenn ich wirklich schwanger bin?
Kristian Koumantaros gehörte zu den reichsten und mächtigsten Männern in Europa. Er nannte mittelalterliche Klöster, Burgen und Villen auf der ganzen Welt sein Zuhause. Erreiste in Privathubschraubern, Privatjets und Luxusjachten. Er brauchte mit niemandem zu verhandeln.
Er würde auch nicht mit ihr verhandeln. Sollte er herausfinden, dass sie sein Kind unter dem Herzen trug, würde er sofort etwas unternehmen.
Falls tatsächlich eine Schwangerschaft bestand, müsste Kristian es eigentlich erfahren. Doch was würde es ihm einbringen, es zu wissen? Wäre es tatsächlich besser für das Baby? Wenn es denn tatsächlich ein Baby gab.
Und was war mit ihr selbst? Kristian sah doch nur ein geldgieriges Biest in ihr, das sich die Schwächen anderer zunutze
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