Herz aus Eis
Oder?
Mit hämmerndem Herzen schloss sie die Tür auf. Beim Geräusch des Schlüssels drehte Kristian sich um, doch nichts in seinem Gesicht regte sich, als er jetzt vor ihr stand.
„Kristian“, kam ihr sein Name nur als Flüstern über die Lippen.
„Elizabeth“, erwiderte er nüchtern.
Und während sie ihn ansah, mit den markanten dunklen Zügen, dem schwarzen Haar und den blauen Augen, da musste sie an einen wunderschönen und gleichzeitig Furcht einflößenden Engel denken. Einer, der gesandt worden war, um über sie zu richten.
Sie schaute an ihm vorbei auf den schwarzen Jaguar mit den getönten Scheiben und fragte sich, wie viele Autos überall auf der Welt verteilt er wohl besaß.
„Du bist hier.“ Es hörte sich albern an, aber sie war so perplex, dass ihr nichts Besseres einfiel. Und noch etwas anderes mischte sich in ihre Überraschung – Angst. Er konnte es unmöglich wissen. Nein, sie hatte es ja selbst erst heute gespürt.
„Scheint so.“ Kristian legte den Kopf leicht schief und sah in ihr Gesicht, doch in seinen Augen spiegelte sich kein Erkennen. Sofort meldete sich das Mitgefühl in Elizabeth. Er hattedie Operation also doch nicht machen lassen, offensichtlich hatte er zu große Bedenken gehabt. Und während sie vollstes Verständnis für diese Entscheidung hatte, so änderte das nichts an ihrem Entschluss, die Schwangerschaft vor ihm geheim zu halten. Zumindest für den Moment.
„Woher wusstest du, wo ich wohne?“
„Ich hatte deine Adresse“, antwortete er tonlos.
„Ich verstehe.“ Dabei verstand sie gar nichts. Ihre Heimadresse stand auf keinem Briefkopf. Obwohl … für einen Mann wie Kristian Koumantaros konnte es nicht schwer sein, eine Adresse ausfindig zu machen, mit seinem Geld und seinen Beziehungen. Vielleicht hatte er ja sogar einen Privatdetektiv angeheuert … Doch warum sollte er das tun?
Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie ihn. Noch immer versuchte sie zu begreifen, dass er wirklich hier vor ihr stand, in Windsor, auf ihrer Schwelle.
In der Küche begann der Wasserkessel zu pfeifen. Kristian hob den Kopf und kniff die Augen zusammen.
„Das Teewasser kocht“, erklärte sie. „Ich wollte mir einen Tee machen. Ich gehe besser und schalte den Herd aus.“ Ohne auf seine Antwort zu warten, verschwand sie hastig im Haus.
In der Küche jedoch musste sie feststellen, dass Kristian ihr gefolgt war. Seine Präsenz ließ die kleine Küche mit dem einfachen Spülbecken und dem schlichten Bauerntisch plötzlich altmodisch und schäbig erscheinen.
„Oh.“ Nervös wich sie einen Schritt zurück. „Du bist hier“, benutzte sie schon wieder die gleichen Worte.
Ein Mundwinkel zuckte in seinem Gesicht. „Sieht aus, als sei ich heute überall.“
„Ja.“ Sie wischte sich die feuchten Handflächen an ihrem Rock ab. Wie hatte er ihr so schnell in die Küche folgen können? Fast war es, als kenne er sich hier aus. Oder … als könne er sehen.
Ihr Puls begann, härter zu schlagen, ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Hatte sie heute nicht schon genug durchgemacht?! Erst die Erkenntnis über das Baby, dannKristian, der vor ihrer Tür auftauchte.
„Bist du schon lange in England?“ Vielleicht würde sie auf diese Art herausfinden, was hier vor sich ging.
„Den Großteil des letzten Monats.“
Einen Monat schon. Ihr Herz setzte aus, sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Das wusste ich nicht.“
Er hob eine Augenbraue, sagte aber nichts. Zumindest das hatte sich nicht geändert – er war unmitteilsam wie immer. Was nicht bedeutete, dass sie dieses Spiel mitspielen musste.
„Deine Operation ist für heute angesetzt, nicht wahr?“
„Wie kommst du darauf?“
„Ich las es in der Zeitung, im Zug auf dem Weg hierher. Angeblich sollst du heute in London behandelt werden.“
„Soll ich?“, er lächelte.
Und damit kam das Gespräch wieder ins Stocken. Die Höflichkeit verlangte eigentlich, dass sie ihm eine Tasse Tee anbot, doch sie wollte diesen fatalen Besuch nicht noch verlängern. Sie kämpfte mit ihrem Gewissen. Die gute Erziehung gewann.
„Kann ich dir einen Tee anbieten?“
Sein Lächeln fiel sehr spöttisch aus. „Ich dachte schon, du würdest nie fragen.“
Mit zitternden Händen holte sie eine zweite Tasse aus dem Schrank und schenkte ein.
Er konnte doch noch immer nicht sehen, oder? Aber irgendetwas, dieser gleiche sechste Sinn, der sie vorhin schon gewarnt hatte, meldete sich auch jetzt und machte sie
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