Herz aus Eis
Houston.
»Es wäre seine Idee. So sagte es mir der blonde Mann.«
Sehr ruhig erhob sich Houston vom Tisch, die geschlossene Schatulle mit den Ringen in der Hand. »Ich danke Ihnen vielmals, Mr. Weatherly, daß Sie sich persönlich hierherbemüht und mir die Ringe gebracht haben. Vielleicht möchtest du dir gern die Ringe ansehen, Mutter«, sagte sie dann und überließ Opal die Schatulle. »Ich bin sicher, sie müssen erst passend gemacht werden. Auf Wiedersehen, Mr. Weatherly.«
Als Houston hinauf in ihr Zimmer ging, war ihr viel leichter ums Herz. Die Ringe selbst hatten nichts zu bedeuten; aber er hatte ihr Billett gelesen und war noch immer entschlossen, sie zu heiraten. Nur das zählte. Zwar hatte er sie nicht gebeten, ihn zu besuchen; aber sie würden ja bald verheiratet sein und sich dann jeden Tag sehen.
Oben begann sie sich für das Abendessen umzuziehen.
Houston sah Marc Fenton lächelnd an, der ihr in Miss Emilys ruhiger, in Rosa und Weiß gehaltener Teestube gegenübersaß. Opal hatte unweit von ihnen Platz genommen; bemühte sich jedoch, die beiden sich ungestört miteinander unterhalten zu lassen. Mr. Gates hatte darauf bestanden, daß Opal Houston zu der Verabredung begleiten sollte, da er, wie er sagte, kein Vertrauen mehr zu der Moral der jungen Amerikaner habe.
Marc war ein gutaussehender Mann, untersetzt, blond, mit weit auseinanderstehenden blauen Augen und einem ansteckenden Grinsen.
»Wie ich hörte, haben Sie den Fang der Saison gemacht, Houston«, sagte Marc, während er noch ein Rosinentörtchen auf seinen Teller nahm. »Jeder flüstert davon, daß er teils ein Barbar, teils ein Ritter auf einem weißen Pferd sei. Was ist Kane Taggert nun wirklich?« fragte er mit einem Zwinkern in den Augen.
»Ich dachte, das könnten Sie mir vielleicht sagen, Mr. Taggert hat ja früher für Sie gearbeitet.«
»Er verließ das Haus, als ich sieben Jahre alt war! Ich kann mich kaum noch an ihn erinnern.«
»Aber woran können Sie sich noch erinnern?«
»Ich hatte eine Todesangst vor ihm«, sagte Marc lachend. »Er führte ein Regiment in diesem Stall, als gehörte er ihm selbst, und niemand, nicht einmal mein Vater, widersetzte sich seinen Anordnungen.«
»Auch nicht Ihre Schwester Pamela?« fragte Houston und spielte dabei mit ihrem Teelöffel.
»Das ist es also, was Sie wissen wollen«, lachte er abermals. »Ich hatte keine Ahnung, was zwischen den beiden vorging. Eines Tages waren sowohl Taggert wie meine Schwester verschwunden. Ich werde auch heute noch nervös, wenn ich mir ein Pferd aus dem Stall hole, ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben.«
»Warum hat Ihre Schwester das Haus verlassen?« fragte Houston beharrlich.
»Vater hat sie auf der Stelle verheiratet. Ich glaube, er wollte nicht mehr das Risiko eingehen, daß seine Tochter sich vielleicht nochmals in einen Stallburschen verliebt.«
»Wo ist Pamela jetzt?«
»Ich sehe sie selten. Sie zog mit ihrem Mann nach Cleveland, bekam dort ihr Kind und blieb da wohnen. Ihr Mann ist vor ein paar Monaten gestorben, und das Kind war lange Zeit sehr krank. Sie hatte es nicht leicht in den letzten Jahren.«
»Ist sie . . .?«
Marc lehnte sich vor und setzte eine Verschwörermiene auf. »Wenn Sie noch mehr über den Mann wissen wollen, den Sie zu heiraten gedenken, sollten Sie mit Lavinia LaRue reden.«
»Ich glaube nicht, daß ich die Dame kenne.«
Marc lehnte sich lächelnd auf seinem Stuhl zurück. »Natürlich kennen Sie sie nicht. Sie ist Taggerts Spielwiese.«
»Seine . . .?«
»Seine Mätresse, Houston. Ich muß jetzt wieder gehen«, sagte er, stand auf und legte Geld auf den Tisch.
Houston erhob sich ebenfalls und legte ihm die Hand auf den Arm. »Wo finde ich diese Miss Larule?«
»LaRue, Lavinia LaRue, und fragen Sie in der Crescent Street nach ihr.«
»Crescent Street?« Houstons Augen weiteten sich. »Ich bin noch nie in dieser Gegend gewesen.«
»Schicken Sie Willie. Er kennt sich dort aus. Vereinbaren Sie mit ihr irgendeinen geheimen Treffpunkt. Sie wollen sich gewiß nicht mit den Lavinia LaRues dieser Welt öffentlich sehen lassen. Viel Glück zu Ihrer Hochzeit, Houston«, rief er noch über die Schulter, ehe er aus der Teestube eilte.
»Hast du erfahren, was du wissen wolltest?« fragte Opal ihre Tochter.
»Ich glaube, ich habe viel mehr herausgefunden, als ich wissen wollte.«
Houston verbrachte den Rest des Freitags und den ganzen Samstag damit, Vorbereitungen für die Doppelhochzeit zu treffen: Sie bestellte
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