Herz aus Eis
weckte die Dienstboten in der Villa Chandler bereits um fünf Uhr morgens und fing an, die beiden Hochzeitskleider und die Schleier sorgsam einzupacken.
Houston hörte ihre Mutter im Erdgeschoß herumgehen; blieb aber noch ein paar Minuten liegen, ehe sie aufstand. Sie hatte in der Nacht wenig geschlafen und sich die meiste Zeit unruhig hin- und hergeworfen. Ihr Geist war viel zu lebhaft mit den Ereignissen des kommenden Tages beschäftigt gewesen, um Ruhe finden zu können. Sie dachte an Kane und betete, daß er in den kommenden Jahren lernen würde, sie zu lieben.
Als Opal ins Zimmer kam, um sie zu wecken, war sie mehr als bereit, die Aufgaben dieses Tages anzupacken.
Die drei Frauen waren gegen zehn so weit, daß sie zum taggertschen Haus aufbrechen konnten. Sie fuhren in Houstons Kutsche, und Willie folgte ihnen mit einem gemieteten Fuhrwerk, auf dem die sorgsam eingepackten Kleider lagen und das Bett, das mit Nesselstoff verhüllt war.
Vor dem taggertschen Haus wurden sie von einem Dutzend junger Damen erwartet, durchweg Mitglieder der Schwesternschaft.
»Die Tische sind gedeckt«, sagte Tia.
»Und die Zelte sind fertig«, fügte Sarah hinzu.
»Und Mrs. Murchison steht schon seit vier Uhr morgens in der Küche«, sagte Anne Seabury und nahm eine Ecke der gut verpackten Hochzeitskleider.
»Und die Blumen?« fragte Houston. »Sind sie nach meinem Plan im Haus verteilt worden?«
»Ich denke, ja«, sagte eine der jungen Damen.
Miss Emily trat vor. »Houston, du solltest dich lieber selbst noch einmal davon überzeugen. Jemand wird dafür sorgen, daß dein Bräutigam in seinem Büro bleibt, während du eine Runde durchs Haus machen kannst.«
»Bräutigam«, murmelte Houston leise, während Nina vorauseilte, um Kane in seinem Büro gefangen zu halten. Jeder war darum bemüht, zu verhindern, daß die Braut vor der Trauung vom Bräutigam gesehen wurde.
Als man Houston versicherte, daß diese Gefahr gebannt sei, ließ Houston ihre Mutter und Blair in der Halle zurück, ging durch alle Räume im Erdgeschoß und konnte nun zum ersten Mal die Ausführung ihrer Dekorationsentwürfe besichtigen.
Im kleinen Salon waren drei lange Tische aufgebaut worden, auf dem die Geschenke für die beiden Bräute standen und lagen, die aus allen Teilen der Vereinigten Staaten hier eingetroffen waren. Kane hatte ihr doch gesagt, daß er so gut wie gar keine Freunde in den Kreisen der Hochfinanz besäße, mit denen er in New York zu tun gehabt hatte. Aber wenn man die Geschenke als Gradmesser nahm, wurde deutlich, daß der Geldadel in New York Kane als einen der ihren betrachtete.
Da war ein kleiner italienischer Tisch mit Intarsien von den Vanderbilts, Tafelsilber von den Goulds, goldene Tafelgeräte von den Rockefellers. Als die Geschenke im Haus einzutreffen begannen, hatte Kane gesagt, daß sie es verdammt nötig hätten, Geschenke zu schicken, da er ihren Gören jedesmal, wenn sie heirateten, auch eine Menge Sachen geschenkt habe.
Da waren andere Geschenke von Leanders Verwandtschaft, und die Leute in Chandler hatten sich mächtig angestrengt, Präsente für >Zwillinge< zu machen, soweit das möglich war. Da lagen Besen-Zwillinge, Popcorn-Zwillingstöpfe, Zwillingsbücher und Zwillings-Stoffrollen. Die Geschenke reichten von den identischen Nadelkissen bis zu identischen Eichenstühlen von Masons.
Der Raum war mit hohen Topfpalmen dekoriert, die vor Spiegeln standen, und der Kaminsims quoll über von roten Rosen und purpurroten Stiefmütterchen.
Houston ging weiter bis zum großen Salon. Hier würden sich die engeren Freunde der Brautpaare und deren Verwandte vor und nach der Trauung versammeln.
An den unteren Wandleisten, dem Türrahmen und an der Decke waren die feinen Ranken der Stechwinde mit Reißzwecken befestigt worden. Ranken über Ranken zierten die Wände, umschlangen den Kamin, umrahmten die Fenster.
Vor jedes Fenster war ein Topf mit Farnen gesetzt, die die Morgensonne filterten und Filigran-Schattenmuster auf den Fußboden warfen. Der Kamin selbst war mit rosa Nelken geschmückt, und hier und dort war auch eine Nelke in die Ranken geflochten.
So rasch wie möglich beendete Houston ihre Besichtigungstour im Erdgeschoß und eilte dann in den ersten Stock hinauf, wo die anderen sie erwarteten.
Die Trauung würde zwar erst in fünf Stunden stattfinden; aber Houston wußte, daß es noch eine Million Details in der letzten Minute zu regeln galt.
In den letzten Tagen hatte sie sich die meiste Zeit im
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