Herz aus Feuer
Bande in deine Gewalt gebracht hast. Aber offenbar sind wir zu spät gekommen. Sie ist dir wieder entwischt, nicht wahr?«
»Sie ist dort unten im Canyon«, sagte Lee.
»Aber nicht mehr lange«, sagte ein Mann von der Wache. »Die Lady ist nämlich gerade im Begriff, aus dem Canyon herauszuklettern.«
Blair sah zu dem Mann hin und nahm dabei am Rand ihres Gesichtsfelds eine Bewegung wahr. Einer von den Hilfssheriffs, der von einem Baum fast gänzlich verdeckt war, zog das Gewehr an die Schulter und zielte. Er wird sie erschießen, dachte Blair, und sie wußte, daß sie nicht dabeistehen und zusehen konnte, wie ein Mensch getötet wurde — gleichgültig, wie schlimm er war oder was er getan haben mochte. Mit einem Sprung war sie bei diesem Mann und landete neben seinem Bein, so daß sie ihn aus dem Gleichgewicht brachte und die Kugel aus seinem Gewehr über dem Kopf von Françoise in die Felswand schlug.
Doch Blair hatte nicht an die Folgen ihrer Tat für sich selbst gedacht, und im nächsten Moment hing sie, mit den Beinen zappelnd, über dem Abgrund.
Der Sheriff und Lee reagierten sofort, warfen sich am Schluchtrand auf den Bauch, packten jeder einen ihrer Arme und zogen sie wieder hinauf auf festen Boden.
»Ich sagte es doch — sie ist die richtige Frau für dich«, sagte der Sheriff sarkastisch, als er Lee half, Blair wieder auf die Felswand hinaufzuziehen. »Du mußt nur verdammt aufpassen, daß sie nicht ständig versucht, sich umzubringen.«
»Ich werde alles tun, um sie vor sich selbst und vor mir zu schützen«, antwortete Lee feierlich.
Blair saß vor den beiden Männern auf dem Boden, klopfte sich den Staub von den Kleidern und blickte dabei in die Schlucht hinunter, in die sie fast gestürzt wäre.
»Schön, Jungs«, rief der Sheriff. »Ich brauche einen Freiwilligen, der hierbleibt und Wache steht, während wir noch ein paar Helfer besorgen. Und daß sie mir dort unten noch alle am Leben sind, wenn ich wieder zurückkomme.«
»Sheriff, Sie haben doch nichts dagegen, wenn unsere Namen unerwähnt bleiben? Das gilt auch für Taggert. Und könnten Sie jemand hinüberschicken in die Mine >Inexpressible<, der dort im Laden unseren Schuldschein für die Brechstange und das Dynamit abholt?« Lee hielt einen Moment inne und lächelte. »Und anschließend die Rechnung an meinen Vater schickt? Der weiß dann schon, warum er sie bezahlen soll.« Damit drehte sich Lee um und faßte mit der linken Hand sein Pferd am Zügel, mit der rechten nach Blairs Arm.
»Wo gehst du denn hin?« rief der Sheriff Lee nach, der wieder den Berg hinaufstieg.
»In die Flitterwochen«, rief Lee über die Schulter zurück.
»Dann paßt gut auf euch auf! Die Französin ist wieder entkommen, und die empfindet bestimmt keine Liebe für euch.«
Während Lee dem Sheriff noch einmal zuwinkte, flüsterte er Blair ins Ohr: »An Liebe hatte ich auch gerade gedacht.«
Kapitel 24
Blair bemühte sich, mit Lee Schritt zu halten. Doch die Aufregungen der letzten Tage, die mageren Rationen, die sie bei den Banditen erhalten hatte, und der noch knappere Schlaf forderten bald ihren Tribut. Als sie ein paarmal stolperte und hinzufallen drohte, hob er sie auf sein Pferd. Als sie im Sattel einnickte, mußte er sie stützen, damit er sie nicht unterwegs verlor.
So wanderten sie stundenlang fort. Blair kam es so vor, als seien sie schon tagelang unterwegs, als hätte sie noch nie in ihrem Leben ein Bett gesehen, geschweige denn in einem geschlafen.
Die Sonne hing niedrig am Himmel, als Lee endlich anhielt und sie vom Pferd hob. Lustlos öffnete sie die Augen und sah eine große Blockhütte mit einem steinernen Fundament vor sich.
»Wo sind wir denn hier?« fragte sie, obwohl ihr das eigentlich gleichgültig war. Sie wollte nur ein Bett, in dem sie schlafen konnte.
»Das ist die Jagdhütte meines Vaters. Hier werden wir ein paar Tage bleiben.«
Blair nickte nur und schloß wieder die Augen, während Lee sie in die Blockhütte trug. Sie hatte den Eindruck, als würde er sie eine Treppe hinauftragen; aber sie war zu müde, um noch einmal die Augen aufzumachen. Als er sie auf ein Bett legte, war sie bereits wieder eingeschlafen.
Sie erwachte von einem sonderbaren Geräusch vor dem Fenster, und als sie sich den Schlaf aus den Augen rieb, erwachte auch ihre Neugier, woher dieses Geräusch rühren mochte. Sie warf die Zudecke beiseite und hielt dann erschrocken den Atem an, weil sie keinen Faden auf dem Leib trug. Da hing ein Männerhemd am
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