Herz aus Feuer
Instrumente bereitlegte, hielt sie nachdenklich inne, als sie sich wieder an Kanes rührenden Versuch erinnerte, sie aufzumuntern, und wie rüde sie ihn immer behandelt hatte. Vielleicht hatte Houston tatsächlich Ursache, diesen Mann zu lieben.
Zu Hause, in seinem dunkel getäfelten Büro, drehte sich Kane zu seinem Assistenten, Edan Nylund, um. »Haben wir nicht von der Chandler-Nationalbank, die ich in der letzten Woche gekauft habe, einige Papiere zugeschickt bekommen?«
»Ja, ein ungefähr zwanzig Pfund schweres Bündel«, sagte Edan und wies, ohne aufzusehen, auf eine Stelle des Schreibtischs, wo die Dokumente gestapelt lagen. Kane blätterte sie flüchtig durch.
»Wo ist Houston hingegangen?«
Jetzt blickte Edan doch neugierig von seiner Arbeit auf. »Zu ihrer Schneiderin, glaube ich.«
»Gut«, sagte Kane. »Dann haben wir ja den Rest des Tages für uns — vielleicht sogar den Rest der Woche.« Er klemmte sich die Dokumente unter den Arm und verließ wieder das Büro.
Von einer nun unüberwindlichen Neugierde getrieben, ging Edan seinem Chef nach und fand ihn in der Bibliothek am Telefon. Da das Telefonsystem von Chandler nur die einzelnen Häuser der Stadt miteinander verband und Kanes Geschäfte größtenteils außerhalb von Colorado abgewickelt wurden, hatte Edan bisher noch nie erlebt, daß Kane sein Telefon benützte.
»Sie haben richtig verstanden«, sagte Kane zu dem Teilnehmer am anderen Ende der Leitung, »die Hypothek auf Ihrer Ranch ist in der nächsten Woche fällig, und ich bin natürlich berechtigt, Ihre Ranch pfänden zu lassen, wenn Sie in Verzug sind. Richtig. Aber ich gewähre Ihnen eine zinsfreie Fristverlängerung von drei Monaten, wenn Ihre Frau sich morgen in der Westfield-Klinik einfindet und dort von Dr. Blair behandelt wird. Sie kann jede Minute ihr Baby bekommen? Großartig! Wenn sie in der Praxis meiner Schwägerin entbindet, bekommen Sie eine Fristverlängerung von hundertachtzig Tagen. Natürlich können Sie Ihre Töchter auch gleich mitschicken. Ja, gut. Noch mal dreißig Tage pro Tochter, wenn sie morgen mit irgendwelchen Beschwerden in der Klinik aufkreuzt. Aber wenn meine Schwägerin von unserer Abmachung Wind bekommt, wird gepfändet. Ist das klar?«
»Verdammt!« sagte er zu Edan, als er wieder auflegte, »das kostet mich aber eine Stange Geld. Geh den Stapel durch und stell fest, wer noch mit seinen Krediten in Verzug geraten ist oder keine Fristverlängerung bekommen hat. Und dann möchte ich wissen, für wieviel derjenige oder diejenigen, denen das Krankenhaus in Chandler gehört, bereit ist, den Laden zu verkaufen. Wir wollen doch mal sehen, ob der Aufsichtsrat sich dann noch weigern wird, die Schwägerin des Eigentümers einzustellen.«
Bis zum nächsten Morgen hielt Blairs gute Laune nicht an, und sie mußte sich sogar ermahnen, wieder an die Arbeit zu gehen. Wieder so ein langer Tag, ohne etwas zu tun, dachte sie, und statt mit ihrer neuen Kutsche zur Klinik zu fahren, ging sie diesmal zu Fuß. Doch als sie noch zwei Straßen von der Klinik entfernt war, kam ihr schon Mrs. Krebbs ganz aufgeregt entgegen.
»Wo stecken Sie denn bloß ? Wir können uns vor Patienten ja kaum noch retten!«
Einen Moment lang stand Blair wie gelähmt da, und dann rannte sie mit Mrs. Krebbs zur Klinik. Das Wartezimmer war ein Chaos: wimmernde Kinder; Mütter, die sie zu beruhigen versuchten; und eine Frau, die stöhnte und offenbar schon Preßwehen hatte.
Eine Viertelstunde später schnitt Blair die Nabelschnur eines neugeborenen Mädchens durch.
»Hundertachtzig«, murmelte die Mutter, »ihr Name ist Blair hatte keine Zeit, sie nach dem Grund für diesen seltsamen Namen zu fragen, weil man bereits die nächste Patientin hereinbrachte.
Am Tag darauf brachte eine Frau einen kleinen Jungen in die Klinik, ein schmächtiges achtjähriges Kind, das aussah wie sechs — ein Junge, der bereits zwei Jahre lang im Bergwerk gearbeitet hatte. Er starb in Blairs Armen, nachdem sein kleiner Brustkasten von Kohlen einer umstürzenden Lore eingedrückt worden war.
Blair rief Nina an. »Ich werde es machen«, sagte sie und legte wieder auf.
Kapitel 30
Blair fuhr mit ihrer neuen Kutsche die Straße hinunter, weg von der Zeche »Inexpressible«, zurück nach Chandler. Nina hatte keine Zeit damit verloren, die Sendung für die Mine vorzubereiten, vielleicht weil sie fürchtete, Blair könnte ihre Entscheidung wieder umstoßen. Und so hatte Blair an diesem Morgen Dr. Weaver angerufen, einen
Weitere Kostenlose Bücher