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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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bisher nicht bemerkt hatte.
    »Das Bild sollte ein Geschenk sein«, redete David nun weiter. »Dad wollte es mir zur Hochzeit schenken. Er hat es bestellt, als wir uns verlobt hatten, und es kam kurz nachdem …« Er schluckte. »… Charlie gestorben war. Seitdem steht es hier. Mein Vater hat keine Ahnung, dass ich weiß, wo es sich befindet. Er hat es sofort hierher bringen und zudecken lassen.«
    »Aber warum kommst du hierher und siehst es dir an?« Ich ahnte, dass er das heute nicht zum ersten Mal getan hatte. »Warum quälst du dich so? Du hast mir gesagt, dass du mit Charlie Schluss gemacht hast. Du liebst sie nicht m…«
    Er unterbrach mich, indem er eine Hand hob.
    Ich verstummte. Wartete.
    Als er stumm blieb, hob ich das Buch, sodass er es sehen konnte.
    Er setzte sich aufrechter hin. »Es ist wieder da?«
    »Ja, aber …« Ich zögerte, dann reichte ich es ihm. Er nahm es wie einen kostbaren Schatz. Einen Schatz, der ihn zwar nicht reich machen würde, dafür aber sein Seelenheil retten konnte. Bevor er es aufschlug, legte ich eine Hand auf seinen Unterarm. »Die Schrift«, sagte ich. »Sie ist nicht mehr da!«
    »Wie meinst du das?«
    Ich nahm ihm das Buch wieder aus der Hand und schlug die erste Seite auf. Dann tippte ich auf die freie Stelle, wo zuvor Charlies Name gestanden hatte. »Hier stand ihr Name. In fliederfarbener Tinte.«
    David betrachtete die leere Stelle. »Du bist sicher …«
    »Die Unterstreichungen sind auch weg!«, unterbrach ich ihn. »Ich habe nachgeschaut, sie sind nicht mehr da.«
    Davids Miene sagte mir, dass er nun langsam auch anfing, an meinem Verstand zu zweifeln. Wenn er jetzt noch einmal fragte, ob ich sicher war, dass Charlies Name und die Unterstreichungen überhaupt da gewesen waren, würde ich anfangen zu schreien. Um dem zuvorzukommen, sagte ich hastig: »Charlies Nachname war Sandhurst, nicht wahr?«
    Er nickte. Seine Lippen wurden ganz bleich, weil er sie zusammenpresste. Er wusste so gut wie ich, dass er Charlies Nachnamen nie erwähnt hatte. Ich schaute in das Feuer im Kamin. Obwohl es gleichmäßig brannte, war es trotzdem noch immer kalt im Raum.
    »Der Name stand hier, David! Du musst mir glauben! Ich bin nicht …«
    »Schsch!«, machte er, bevor ich das Wort verrückt aussprechen konnte. »Ich glaube dir ja!« Er sah geschlagen aus, sehr müde und erschöpft, wie jemand, der unendlich lange durch die Wüste gewandert war, nur um festzustellen, dass die Düne, die er mit letzter Kraft erklommen hatte, der Beginn eines weiteren, endlosen Sandmeeres war.
    »Was passiert hier?«, flüsterte ich und warf unwillkürlich einen Blick auf Charlies Bild. Es sah so aus, als würde sie mich auslachen. Ihre Ärmel waren lang und am Ende mit einer Rüsche versehen, die sich um ihre Handgelenke bauschte. »Ich verstehe das alles nicht!«
    David hob die Hand und kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken. »Ich verstehe es selbst nicht, Juli, das kannst du mir glauben!«
    »Dieses schreckliche Wispern in der Nähe des Hauses und draußen auf den Klippen, David! Und dieses unheimliche Frösteln unten in der Halle. Du spürst es genau wie ich, nicht wahr?«
    Er nickte. Ich war erleichtert. »Gut«, murmelte ich. »Wenn ich schon irre werde, dann wenigstens mit dir gemeinsam.«
    Er seufzte verzweifelt.
    »Das Buch«, sagte ich zaghaft. Ich brauchte irgendwas, an dem ich mich festklammern, irgendetwas, das ich tun konnte. Und das Buch war im Moment das Einzige, was ich hatte. »Du hast gesagt, es könnte einen Hinweis darauf enthalten, warum sie sich umgebracht hat.«
    Er lehnte sich zur Seite und zog den fliederfarbenen Umschlag aus seiner Hosentasche. Bestimmt eine Minute lang starrte er darauf.
    »Charlie hat mir diesen Brief gegeben und ich habe ihn nicht sofort gelesen, sondern eingesteckt«, wiederholte er das, was ich schon wusste. »Ich habe sie auf der Klippe stehen lassen und dann ist sie gesprungen.« Er presste die Fingerspitzen einer Hand gegen die Stirn, als habe er Kopfschmerzen. »Seitdem habe ich mir das Hirn zermartert, was sie mit den Zeilen, die sie mir geschrieben hat, gemeint haben könnte.«
    Er deutete auf das Buch in meiner Hand.
    »Die Unterstreichungen«, sagte er. »Weißt du zufällig noch, auf welcher Seite sie waren?«
    »Weiter hinten. Und es ging, glaube ich, darum, ob Rebecca fähig war zu lieben …« Ich blätterte eine Weile in dem Buch herum. »Hier. Das müsste die Stelle sein.«
    Er reichte mir den Brief und streckte dann die

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