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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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»Davids Zimmer ist dort oben links. Wenn du zurückkommst, fragst du ihn vielleicht, ob er Lust hat, sich uns anzuschließen, was meinst du?«
    Ich zögerte. War es eine gute Idee, David schon wieder aus seinem Mauseloch hervorzuziehen? »Mache ich«, willigte ich trotz dieser Überlegung ein.
    »Gut. Ich warte auf euch.« Mit diesen Worten verschwand Taylor in Richtung Speisezimmer.
    Ich blieb noch einen Moment allein vor der Treppe stehen und dachte nach. Es war vollkommen still im Haus und die drückende Stimmung überfiel mich von einem Moment auf den anderen. Mein Nacken begann zu kribbeln, und bevor ich es richtig realisierte, verspürte ich schon wieder dieses seltsame Frösteln. Wie ein eisiger Hauch zog es hinter meinem Rücken entlang und verursachte mir eine Gänsehaut. Schlagartig begann mein Herz, wild zu klopfen.
    Madeleine. Eine Geistergeschichte. Inselfolklore, hörte ich Henry sagen. Geister? Juli, du spinnst wirklich total! Die Gedanken stolperten wie von selbst durch meinen Kopf.
    Ich schüttelte mich und machte, dass ich in mein Zimmer kam. Jeans und Stiefel waren rasch gegen Ballerinas und einen geblümten Rock ausgetauscht, der für die Jahreszeit eigentlich viel zu dünn war, aber den ich einfach zu gern trug, um auf Nebensächlichkeiten wie Temperaturen Rücksicht zu nehmen. Ich kombinierte ihn mit blickdichten Strümpfen in Lila, dann löste ich mein Haarband, fuhr mir mit der Bürste ein paar Mal durch die vom Wind zerzausten Strähnen und band mir den Pferdeschwanz neu.
    »Angemessen!«, sagte ich zu meinem Spiegelbild, bevor ich mich auf den Rückweg zum Speisezimmer machte.
    Im Haupthaus zögerte ich an der Treppe ins Obergeschoss. Plötzlich hätte ich mich lieber einer Wurzelbehandlung unterzogen, als dorthinauf zu gehen. Ich legte eine Hand auf das geschwungene Treppengeländer. Dann gab ich mir einen Ruck. Sei nicht albern!, ermahnte ich mich selbst. Und mit energischen Schritten nahm ich die ersten Stufen.
    Vom oberen Treppenabsatz aus ging rechts und links ein breiter Flur ab. Er war mit dicken Teppichen ausgelegt. Fünf Türen gab es in jedem Gang und am Ende jeweils ein Buntglasfenster, auf dem ein Pelikan abgebildet war. Das trübe Winterlicht warf ein paar bunte Flecken durch das farbige Glas auf den knöcheltiefen Teppichboden.
    Die vierte Tür im linken Gang wurde von zwei zierlichen Tischchen mit geschwungenen Beinen flankiert, je ein Strauß weißer Lilien stand darauf. Friedhofsblumen . An der Wand, den Tischchen gegenüber, hing ein antiker Spiegel mit schwerem goldenem Rahmen. In ihm sahen die Arrangements aus wie ein Gemälde, das eine morbide Atmosphäre zu verbreiten schien.
    Ich biss mir auf die Lippe. Hör auf rumzuspinnen, Juliane!, ermahnte ich mich. Gerade überlegte ich, wie ich herausfinden sollte, welche der Türen zu Davids Zimmer führte, als sich eine davon öffnete und Grace herauskam. Sie bemerkte mich nicht sofort, weil sie damit beschäftigt war, einen Wäschewagen hinter sich her auf den Flur zu ziehen. Durch den Spalt in der Tür konnte ich ein Stück eines altmodischen Himmelbettes und einen winzigen Tisch erkennen.
    Um Grace nicht zu erschrecken, räusperte ich mich leise.
    Sie zuckte trotzdem zusammen und fuhr zu mir herum. »Miss Wagner!« Ihr Atem hatte sich ein wenig beschleunigt und ich hätte schwören können, dass sie blass geworden war.
    »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich bin auf der Suche nach Davids Zimmer.« Fragend wies ich auf zwei der anderen Türen.
    Ihr Blick huschte zu jener zwischen den Liliensträußen, aber bevor sie etwas sagen konnte, öffnete sich auch diese Tür. Jason kam heraus.
    »Hoppla!«, sagte er. Er klang überrascht, als hätte er nicht erwartet, gleich zwei Menschen hier auf dem Gang anzutreffen. Dann schenkte er mir ein freundliches Lächeln, während er Grace völlig ignorierte. »Du wolltest vermutlich zu David?« Ihm wurde bewusst, dass die Tür, durch die er soeben gekommen war, noch offen stand. Rasch griff er nach der Klinke und zog die Tür ins Schloss.
    Ich hatte einen kurzen Blick in das Lilienzimmer erhaschen können. Viel hatte ich nicht gesehen, nur einen riesigen, leeren Kamin und ein paar Möbel, die mit weißen Tüchern abgedeckt gewesen waren. Aber eines war mir sehr deutlich aufgefallen: Zusammen mit Jason war ein ganzer Schwall eisig kalte Luft nach draußen gedrungen. Offenbar standen in dem Zimmer alle Fenster sperrangelweit offen.

G race hatte in der Zwischenzeit den

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