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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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essen musste, dann ging ich ins Gästehaus zu Dads Appartement, wo er an seinem Schreibtisch hockte und aus dem bodentiefen Fenster hinaus in die winterliche Landschaft starrte. Einen Moment blieb ich in der Tür stehen, weil ich wusste, dass es nicht besonders klug war, ihn in seinen Grübeleien zu stören. Er konnte dann sehr ungehalten reagieren.
    Als ich mich leise räusperte, seufzte er tief.
    »Dieser Ausblick ist nicht gut«, brummte er. »Er lenkt viel zu sehr ab!« Zu Hause hatte er seinen Schreibtisch mit voller Absicht so gestellt, dass er gegen eine Wand schaute. »Wusstest du, dass kurz vor Sonnenaufgang ein paar Iltisse hier auf dem Rasen spielen?«
    »Nein.« Ich trat näher und versuchte, einen Blick auf seinen Bildschirm zu erhaschen. Doch er klappte den Laptop zu, bevor ich mehr als die Worte »sagte er« gelesen hatte. »Kommst du voran?«, fragte ich.
    »Geht so.« Erneut seufzte er. Dann lehnte er sich auf seinem Stuhl so weit zurück, dass er fast in eine liegende Position kam. »Ist eine schwierige Geburt, diesmal.«
    »Unser Besuch hier auch«, murmelte ich.
    Er musterte mich von der Seite her. »Du siehst nicht besonders glücklich aus!«
    Ich zuckte die Achseln.
    »He!« Mit einem Ruck kippte er den Stuhl wieder nach vorne. »Was ist los, Süße?«
    Plötzlich kamen mir meine Probleme mit David irgendwie albern vor. Was war schon passiert? Er war abweisend gewesen und hatte mich nicht besonders freundlich behandelt, was, zugegebenermaßen, nicht angenehm gewesen war. Und wir hatten auf der Klippe schwermütige Gespräche geführt, doch ich hatte die ganze Zeit über nicht wirklich das Gefühl gehabt, dass David sich in Gefahr befand.
    Im Gegensatz zu mir selbst …
    Der Gedanke war da, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Ich dachte an Grace' sonderbare Warnung und an das Frösteln, das mich immer wieder in der Eingangshalle überkam. So fest ich konnte, biss ich die Zähne zusammen. Was war es eigentlich, das mich so … so dünnhäutig machte? Nein, nicht dünnhäutig, dachte ich, zerbrechlich, gläsern. Flüche und Geister waren etwas für altmodische Schauerromane. Verdammt, wir lebten im 21. Jahrhundert!
    Ich rieb mir die Augen. »Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht so genau.«
    »Es geht um David, nicht wahr?« Ernst sah er mich an. »Haben wir dir doch ein bisschen zu viel zugemutet?«
    »Er ist nicht besonders freundlich zu mir.« Das war das Einzige, was ich mich zu sagen traute, und ich hörte selbst, wie kindisch und selbstbezogen es klang. Ich verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.
    »Er trauert«, sagte Dad.
    »Schon klar. Das weiß ich auch. Aber da ist etwas …« Ich zögerte. Ich wusste nicht, wie ich es ausdrücken sollte.
    Doch! Eigentlich wusste ich es sehr genau.
    »Ich fühle mich so … zerbrechlich. Als ich ihn gesehen habe, hat sich mein Herz irgendwie in Glas verwandelt«, murmelte ich. Und in diesem Moment erst begriff ich: Das war der Grund für meine sonderbaren Anwandlungen! Davids Anblick hatte mich so sehr angegriffen, dass ich mich plötzlich benahm wie eine dieser Personen aus den Schnulzenromanen meines Vaters.
    Dad hob erstaunt die Augenbrauen. Er war es zwar gewohnt von mir, dass ich ab und an die blumigen Ausdrücke benutzte, die er für seine Romane erfand. Aber ich benutzte sie immer ironisch. Doch was ich jetzt gerade gesagt hatte, war mein voller Ernst gewesen. Das schien sogar meinem verpeilten Dad aufgefallen zu sein. Hilflos grinste ich ihn an.
    »Ein gläsernes Herz?« Er lauschte den Worten nach. »Herz aus Glas. Das klingt nach einem guten Titel!« Rasch machte er sich eine Notiz auf einem Schmierzettel.
    Ich seufzte. »Ich glaube, ich lasse dich besser arbeiten!«
    Er war drauf und dran zu nicken, das konnte ich ihm ansehen. Doch dann besann er sich – zu seinem eigenen Glück, dachte ich grimmig. »Wie kann ich dir helfen?«, fragte er.
    »Ich würde gern nach Hause fahren!« Der Satz war raus, bevor ich mir im Klaren darüber war, was ich gesagt hatte. Ist das dein Ernst, Juli? Rückzug, bevor das Gefecht überhaupt richtig begonnen hat? Das war sonst überhaupt nicht meine Art.
    Erstaunt starrte mein Vater mich an. »Ist das …« Er holte Luft. »… dein Ernst?«, fügte er hinzu und sprach damit genau das aus, was ich eben selbst noch gedacht hatte. Dann betrachtete er mich einen Moment lang und nickte. »Ist es offenbar.« Er stand auf, stellte sich vor mich hin. »So schlimm? Jason hatte mich gewarnt, dass David ein ziemliches

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