Herz aus Glas (German Edition)
Menschen auf dieser Insel kennenlernen, die mich hassen.« Und damit ging er einfach los und ließ mich stehen.
Ich eilte ihm nach. »Warum hasst er dich?«
David antwortete nicht. Er schritt weit aus, sodass ich schon nach kurzer Zeit außer Atem geriet. Vielleicht zehn, fünfzehn Minuten hastete ich neben ihm her und warf immer wieder fragende Blicke in sein verschlossenes Gesicht. Dann hatte ich genug. Ich packte ihn am Arm und zwang ihn, stehen zu bleiben.
»Warum hasst … Adam dich?«, wiederholte ich meine Frage. Ich musste tief Luft holen, um sie zu Ende zu bringen.
Davids Nasenflügel bebten. Ich glaubte schon, er würde sich einfach losreißen und weiterlaufen. Doch zu meiner Überraschung gab er mir diesmal eine Antwort. »Charlie«, sagte er. »Sie war seine Tochter.«
Mit offenem Mund blieb ich stehen, während David sich aus meinem Griff losmachte und weiterging. Erst als er in dem noch immer ziemlich dichten Nebel außer Sichtweite war, überwand ich meine Starre und lief ihm nach.
Wir waren bereits über die Brücke am Stonewall Pond, ehe ich es wagte, erneut den Mund aufzumachen. »Es tut mir leid«, murmelte ich.
David zuckte nur die Achseln. Warum eigentlich hatte er mir nicht gestern Abend schon gesagt, dass Adam Charlies Vater war? Warum taten alle hier immer so geheimnisvoll? Er hatte mich damit voll ins offene Messer laufen lassen. Ich spürte, wie Wut in mir aufstieg. Wie so oft unterdrückte ich sie. David jetzt mit diesen Vorwürfen zu konfrontieren, wäre vermutlich die nächste bescheuerte Idee gewesen, die ich heute hatte, also biss ich mir auf die Zunge. »Danke«, sagte ich.
Er würdigte mich keines Blickes. Der Nebel umgab uns wie eine Wand. »Wofür?«
»Dafür, dass du mir eben geholfen hast.«
Er zuckte schon wieder die Achseln und ich spürte, wie es in mir brodelte. Langsam ging mir diese Angewohnheit von ihm wirklich auf den Geist! Außerdem tat es weh, wie er mich behandelte, auch wenn ich es vermutlich nicht besser verdient hatte. »Warum bist du mir nachgegangen?«, fragte ich.
Er antwortete nicht.
Verdammt noch mal!
»Du hast ausgesehen, als hättest du dir Sorgen um mich gemacht.«
»Das hat nur so ausgesehen«, behauptete er.
Da kapierte ich, dass ich für den Rest des Weges besser die Klappe hielt. Der Rückweg kam mir doppelt so lang vor wie der Hinweg, aber schließlich erreichten wir das Herrenhaus. David wandte sich endlich zu mir um. Unter dem Blick, mit dem er mich musterte, wurde mir heiß und kalt zugleich. »Du findest vermutlich allein in dein Appartement«, sagte er kühl, und ohne meine Antwort abzuwarten, stiefelte er davon.
Als ich sah, dass er in Richtung Pfad ging, der zu den Klippen führte, lief ich ihm nach. »David!«
Mit einem Ruck blieb er stehen. »Hör endlich auf, mich zu verfolgen!«, knurrte er wütend. Ich prallte zurück, als sei ich gegen ein Hindernis gerannt.
Aber jetzt reichte es mir. Scham, Anspannung und Ärger bildeten in meinem Magen einen festen, schmerzhaften Knoten und ich konnte nicht mehr anders, ich musste Dampf ablassen. »Zum Museum hast du ja wohl mich verfolgt, oder?«, schrie ich David an.
Seine Augen weiteten sich vor Überraschung über die Heftigkeit meines Ausbruchs. »Entschuldige«, sagte er kühl. »Das war wohl ein Fehler.«
Und diese Worte waren der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Meine Geduld war am Ende. »Du bist so ein Arsch!«, zischte ich. Irgendwie war ich auch erschrocken über mich selbst. Warum nur machte er mich so schrecklich wütend?
»Ja«, sagte er. »Das habe ich irgendwo schon mal gehört.«
Weil er keine Anstalten machte, seinen Weg fortzusetzen, und ich es nicht mehr aushielt, ihn anzusehen, drehte ich mich einfach um und lief zum Haus zurück.
»Madeleines Geist quält ihn!«, erklang Grace' Stimme, als ich wutschnaubend an der Terrasse des Gästehauses vorbeistapfte. Ich fuhr herum. Sie stand dort und schien unseren Streit mit angehört zu haben.
Ich warf ihr einen abfälligen Blick zu. Für heute hatte ich mehr als genug von Madeleine, von Flüchen und diesem ganzen Zirkus mit toten Frauen und Mädchen.
»Er wird niemals Frieden finden!« Ernst und auch ein bisschen traurig sah Grace zu, wie David den Pfad zu den Klippen einschlug. Kurz überlegte ich, ob ich ihm besser folgen sollte, aber Grace hielt mich davon ab, indem sie herankam und mir eine Hand auf den Unterarm legte. »Und Sie auch nicht!«
Ich riss meinen Arm weg. »Keine Sorge!«,
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