Herz-Dame
besonderen Grund dafür?«, wollte sie wissen, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
»Ich bin morgen Abend wieder mit Justin verabredet«, bestätigte Sheila auch umgehend ihren Verdacht. »Er ist wirklich total nett, und deine Befürchtungen waren völlig grundlos, er hat sich bisher völlig anständig benommen.«
»Das hört sich nach etwas Ernstem an.«
»Ja«, frohlockte Sheila, »sieht ganz danach aus.«
»Das freut mich für dich«, erklärte Grace aufrichtig, und musste im gleichen Augenblick unvermittelt an Dylan denken.
»Wie läuft es mit Dylan und dir?«, fragte Sheila auch prompt, als hätte sie ihre Gedanken gelesen.
»Nichts läuft da«, betonte sie trocken, doch scheinbar eine Spur zu schnell, denn Sheila bohrte sofort weiter.
»Komm schon, was ist los?«
»Ach Sheila, es ist alles so verfahren«, seufzte Grace, »Eigentlich arbeiten wir ziemlich gut zusammen, und es könnte mir richtig Spaß machen, wenn er endlich aufhören würde, dauernd diese Bemerkungen zu machen. Gestern Abend hat er auch wieder so eine blöde Anspielung gemacht, und ich war so wütend, dass ich ihm eine ziemlich giftige Antwort gegeben habe, und heute hat er sich den ganzen Tag nicht blicken lassen.«
»Hast du ihn etwa vermisst?«, zog Sheila sie auf, doch in ihrer Stimme schwang ein ernster Unterton mit.
»Natürlich nicht«, entfuhr es Grace patzig, »warum sollte ich auch?«
Am anderen Morgen rief Dylan sie bereits früh zu sich, und zögernd betrat sie den Glaskasten.
»Das Budget für weitere Recherchen ist genehmigt, wir können also loslegen«, erklärte er ohne weitere Vorrede, und zog einen der Besucherstühle hinter den Schreibtisch.
»Setz dich«, forderte er sie auf und deutete auf den Stuhl.
Verblüfft nahm sie darauf Platz und er drückte ihr einen Zettel in die Hand.
»Das ist die Liste von Bob, wir werden jetzt ein bisschen telefonieren«, erklärte er.
»Du hast dich also gestern mit ihm getroffen«, stellte sie überflüssigerweise fest, und konnte einen leicht vorwurfsvollen Ton nicht unterdrücken.
»Ja, ich war am Nachmittag mit Justin unterwegs, und wir sind zusammen dorthin gefahren«, sagte er beiläufig, während er in der Schublade nach seinem Adressbuch kramte.
»Aha«, murmelte sie vor sich hin, und er warf ihr einen prüfenden Blick zu.
»Ich dachte, du würdest keinen Wert darauf legen, mich zu begleiten.«
»Das tue ich auch nicht«, erwiderte sie rasch, und bemühte sich um einen unbeteiligten Ton. »Also – was soll ich jetzt tun?«
»Kannst du mir bitte ein paar Sachen aus dem Internet heraussuchen?«, bat er. »Ich brauche die Telefonnummern von sämtlichen Krankenhäusern, Unfallstationen und Notärzten in der Stadt und im Umkreis. Außerdem die Nummern von Sozialstationen, Bahnhofsmissionen und sonstiger karitativer Einrichtungen in der Nähe von Newport.«
Sie nickte, und während sie die gewünschten Daten heraussuchte, kontaktierte Dylan einen Bekannten bei der Polizei.
Auf diese Art verbrachten sie den ganzen restlichen Tag. Sie telefonierten herum, durchstöberten das Internet, notierten sich Dinge, die ihnen wichtig erschienen, doch ihre Mühe war vergeblich; es schien wirklich so, als wären die Leute einfach spurlos verschwunden.
»Okay«, seufzte Dylan irgendwann gegen Abend und streckte sich, »für heute reicht es, wir machen morgen weiter.«
»In Ordnung«, stimmte Grace zu und räumte die Unterlagen zusammen.
Ihr Blick fiel noch einmal auf Bobs Liste und blieb an einem Namen hängen. Sie überlegte kurz, wieso dieser Name ihr so bekannt vorkam, und plötzlich fiel es ihr ein. Es war der Name, den Thomas Baker erwähnt hatte, als sie im Obdachlosenasyl gewesen waren.
»Henry, der alte Henry«, sprudelte sie aufgeregt heraus, und Dylan schaute sie stirnrunzelnd an.
»Der Name hier auf der Liste – ich glaube, das ist der Mann, über dessen Verbleib Thomas Baker sich Sorgen gemacht hat«, erläuterte sie ihm.
Nach einem kurzen Blick auf die Liste nickte er. »Du hast recht, das wäre sehr gut möglich. Also sollten wir morgen nochmal beim Asyl vorbeifahren und uns mit Baker unterhalten, vielleicht fällt ihm ja noch etwas ein.«
Grace stimmte zu und schob das Blatt zu den übrigen Notizen in die Mappe.
»Wir haben den ganzen Tag nichts gegessen, hast du Hunger?«, fragte er im gleichen Moment, und überrascht stellte sie fest, dass ihr tatsächlich der Magen knurrte.
»Eigentlich schon«, gab sie zurückhaltend zu, und er lächelte.
»Wenn ich dich jetzt frage, ob du Lust
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