Herz dder Pflicht
wüssten Sie, was ich zu ihm sagen sollte?“
Richard fand, dass ihre Art zu reden genügte, um jeden Dunklen Rächer zum Schweigen zu bringen. Er wich Pandoras amüsiertem Blick aus und erwiderte ruhig: „Mylady, ein Geist, der das Unglück hätte, einer so willensstarken Person wie Ihnen zu begegnen, würde unverzüglich die Flucht ergreifen. Sie müssten ihn lediglich missbilligend durch Ihre Lorgnette ansehen.“
Zu seiner Überraschung brach Ihre Ladyschaft daraufhin in lautes Gelächter aus. „Oh, Mr. Ritchie, Sie sind wirklich ein Original“, rief sie und hob die Lorgnette, um ihn eindringlich zu mustern. „Hm“, machte sie nachdenklich, „mir drängt sich der Eindruck auf, dass wir einander doch schon einmal irgendwo getroffen haben.“
„Lady Leominster, ich bin sicher, dass ich Sie nicht vergessen hätte, wenn ich Ihnen je begegnet wäre“, war alles, was er darauf antworten konnte. Als sie vor Jahren seine Eltern besucht hatte, waren er und sein Bruder Russell aus dem Schulzimmer geholt und ihr vorgestellt worden. Sie hatte etwas Lächerliches zu ihm gesagt, worauf er eine doppelsinnige Antwort gemurmelt hatte. Was es gewesen war, wusste er nicht mehr, doch Ihre Ladyschaft hatte ihn angedonnert. „Was bist du für ein unartiger Junge! Aber du gefällst mir. Aus dir wird einmal ein richtiger Charmeur werden.“
Ihre Erwiderung ähnelte der von vor Jahren: „Gut pariert, Sir, Sie werden es im Leben noch weit bringen, so schlagfertig, wie Sie sind. Wir sehen uns beim Dinner wieder, junger Mann. Bei der Gelegenheit können Sie mich unterhalten. Vielleicht fällt mir bis dahin ein, woher ich Sie kenne. Ich bin nämlich sicher, dass das der Fall ist.“
„Zum Glück ist sie alt genug, um Ihre Mutter zu sein“, flüsterte Pandora später Richard zu. „Sonst müsste ich fürchten, dass sie mit Ihnen davonläuft.“
„Ich denke nicht, dass ich dazu Lust hätte“, flüsterte er zurück.
„Oh, sie würde Sie entschlossen unter den Arm klemmen und nach Gretna Green oder sonst wohin verschleppen.“
„Sie Schelmin“, rief er in einer exzellenten Imitation Ihrer Ladyschaft.
Am Nachmittag wurde das Gespräch allgemeiner. Mylady saß in einem Sessel, fächelte sich Luft zu und verkündete, sie und Cheadle hätten den Wunsch, sich von Pandora den Garten zeigen zu lassen. Als sie davon informiert wurde, dass es sich lediglich um eine Wildnis handele, erklärte sie, genau das zu mögen, erhob sich, nahm Pandoras Arm und führte sie durch die Glastüren hinaus ins Freie.
„Puh“, stöhnte William. „Dem Himmel sei Dank, dass sie uns nach dem Dinner wieder verlässt. Mehr als ein Tag mit ihr, und ich würde im Irrenhaus landen.“
Als Folge von Myladys Bemerkungen war Richard eingeladen worden, an dem üppigen Dinner teilzunehmen, während Jack das im Schulzimmer übliche Essen bekam. Lady Leominster beherrschte erneut das Gespräch, bevor sie sich, gesättigt und selbstzufrieden, nach Ende des Mahls auf den Weg zurück nach Lancings machte.
„Morgen Nachmittag würde ich gern mit Ihnen und Jack nach Little Compton reiten“, teilte Pandora Richard mit, ehe er nach oben ging. „Das Dorf selbst ist verlassen. Es heißt, dass der Niedergang des Ortes begann, als meine Familie vor hundert Jahren nach Compton Place zog. Nur die Kirche, in der sich ebenfalls Grabmäler früherer Comptons befinden, steht noch. Die Alabasterskulpturen darauf sind eindrucksvoll. Bei einer davon soll es sich laut Überlieferung um den Dunklen Rächer handeln. Ich denke, sie könnte Sie interessieren.“
„Sehr sogar“, bestätigte Richard. Er konnte es gar nicht erwarten, das angebliche Abbild dieser Gestalt zu sehen.
Also ritten sie am folgenden Nachmittag in Begleitung von Bragg, mit Notizbüchern, Zeichenpapier und Stiften versehen, nach Little Compton. Die Kirche erwies sich tatsächlich als so schön, wie Pandora sie beschrieben hatte. Sie war ein seltenes Exemplar mittelalterlicher Handwerkskunst.
„Wir hatten Glück“, erklärte Pandora. „Cromwells Truppen sind niemals hier durchmarschiert, so dass nichts zerstört wurde. Die Grabmäler blieben erhalten, um dann leider von meinen Vorfahren vernachlässigt zu werden.“
Jack setzte sich auf eine der alten Kirchenbänke, deren Enden geschnitzte Köpfe der Apostel zierten. Richard wanderte herum und betrachtete sich die marmornen Abbilder der mittelalterlichen Comptons, die in voller Rüstung auf ihren Steinsärgen lagen. Die meisten von ihnen hatten als
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