Herz des Himmels (German Edition)
mitten ins Gesicht. Ein unbestimmtes Lächeln huschte über seine Lippen, seine Hände verkrampften sich und ballten sich zu Fäusten, als er Fye losließ. Sein gequälter, leerer Blick durchbohrte Kaithlyn wie ein Schwert des Schmerzes. So konnte nur jemand die Welt betrachten, dem einmal Schreckliches widerfahren sein musste. Sie schluckte schwer und pochend sagte ihr Herz, wie eine innere Stimme, dass Kaine kein Mitleid brauchte, sondern jemanden wie Fye, der ihm Freundschaft anbot. Wieso konnte er das nicht selber sehen?
Für mich bist du immer noch mein bester Freund . Dass hatte Fye gesagt. Wie um alles in der Welt konnte aus einer Freundschaft, solch ein Hass entstehen?
Kaine schien eine Weile nicht zu wissen, was er sagen sollte, doch das war keine wohlwollende Reaktion auf Fyes Worte sondern eher, der Versuch sich im Zaum zu halten, um Fye nicht zu schlagen. Stumm starrte er Fye an, ganze zehn Sekunden lang, dann wand er sich flüchtig ab. „Komm mir nie mehr in die Quere, kapiert?!“, sagte Kaine und seine Stimme klang schwächer als zuvor. „Wir sind keine Freunde, das waren wir nie. Das Einzige, was uns verbunden hat, waren Lügen, die die Wahrheit vernichtet haben und alles was mir irgendwann einmal etwas bedeutet hat.“
Kaine streifte beim vorbeigehen Fyes Schulter, brutal und mit voller Absicht. Er sah nicht zurück, ging schnell, fast wie in Trance, wie jemand auf der Flucht.
„Dann beantworte mir eine Frage! Warum hast du Relia Abadons Auftrag angenommen? Warum bist du hergekommen, wenn du das alles hier hasst? Besonders diesen Ort?“ Doch Kaine hörte ihn nicht mehr, er war bereits außer Sichtweite und es wurde still. „Ihr könnt jetzt rauskommen“, sagte Fye und es lief Kaithlyn eiskalt den Rücken herunter. Fye hatte sie bemerkt! Seinen Worten nach zu urteilen, hatte er sie von Anfang an bemerkt. Wie dumm von mir , dachte Kaithlyn. Wie hätte er uns auch nicht bemerken können? Stocksteif und mit schlechten Gewissen kam sie hinter dem Hortensienstrauch hervor. Liam folgte ihr.
„Habt ihr genug gehört?“, fragte Fye mit undeutbarer Miene.
„Entschuldige, großer Bruder! Es war alles meine Idee. Ich wollte nicht – “, begann Liam, doch Kaithlyn unterbrach ihn.
„Du hast uns schon früher bemerkt, dass hab ich dir angesehen“, deutete Kaithlyn an. „Es war aber dennoch sehr unhöflich von uns, entschuldige.“
Fyes Miene blieb undurchschaubar. Kaithlyn wünschte sich sehnsüchtig zu wissen, was er dachte. „Was hast du gesagt?“
„Das du uns schon früher bemerkt hattest“, wiederholte sie unsicher.
„Das stimmt“, murmelte Fye. „Es fällt mir schwerer mich auf solche Details zu konzentrieren, seit –“ Er sprach nicht zu Ende, aber Kaithlyn verstand. Seit dem Fluch. Mit einem lauten knackenden Geräusch brach plötzlich Harlow fauchend durchs Geäst. Sie schüttelte sich wild und humpelte auf einer Vorderpfote. „Was ist los?“, fragte Kaithlyn besorgt und hob Harlow behutsam hoch. „Bist du verletzt?“ In Harlows linker Vorderpfote steckte ein spitzer Dorn, der sich tief ins Fleisch gegraben hatte.
„Das sieht übel aus“, meinte Liam und kraulte Harlow hinterm Ohr. „Ganz ruhig, Kätzchen.“
Fye beugte sich stumm nach vorne, zog mit einer ruckigen Handbewegung den Dorn heraus und heilte Harlow mit einem Zauber. Harlow hatte nicht einmal Zeit, um aufzujaulen. Kaithlyn öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Fye kam ihr zuvor.
„Liam. Bring Harlow am besten in ihr Zimmer. Sie sollte sie ausruhen.“
Fye hob Harlow aus Kaithlyns Armen und legte sie in Liams.
„Komm Kaithlyn, wir gehen ein Stück“, sagte er bestimmend. Ohne auf ihre Antwort zu warten, umfasste er ihren linken Arm und sorgte dafür, dass sie ihm folgte. Liam tat wie ihm geheißen, während Kaithlyn unsanft von Fye mitgerissen wurde. Er schob sie unablässig vor sich her und er sagte kein einziges Wort. Kaithlyn fragte sich, warum sie sich plötzlich in solch einer seltsamen Situation wieder fand und Fye so aufdringlich war.
„Es tut mir leid, das ich dich belauscht habe, aber das ist noch lang kein Grund mich so grob durch die Gegend zu schubsen, klar?“, sagte sie gereizt und entwand sich Fyes Griff. Fye sagte nichts. Jetzt wo sie ihn in diesem herrlich blassgelben Sonnenlicht, das die Bäume durchflutete betrachtete, fiel ihr auf, wie schlecht Fye aussah. Erschöpft, bleich. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen. „Alles okay?“, fragte Kaithlyn besorgt. Der Fluch. Es
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