Herz des Himmels (German Edition)
war es still. Totenstill. Vom blass blauen und nackten Himmel stoben langsam Funken, ebenso schön wie der melodische Ton, der summenden Glocke, die noch immer gleichmäßig sang. Je näher der Funkenregen der Erde kam, umso besser konnte er erkennen, dass es keine Funken sondern Blüten waren. Leuchtend rosa bis dunkel pink und grell weiße Blütenblätter schneiten herab und bedeckten die Umgebung. In diesem Frühling waren die Kirschblüten ein noch schöneres Meer der Farben, als im Jahr davor. Es duftete so herrlich betörend und süß wie Erdbeermarmelade am frühen morgen. Helle Sonnenstrahlen gruben sich durch lichte Stellen der Bäume.
Kaine träumte.
Von einem Tag, den er nie vergessen würde. Dann wurde alles noch unerträglicher, weil die Erinnerung an die Schönheit seiner Heimat schmerzte. Er wollte diesen Traum nicht zu lassen. Sich nicht erinnern.
„Reverie“, flüsterte er in sich hinein. Wach auf! , schrie seine innere Stimme. Du musst aufwachen, Kaine! Eine leichenblasse Hand streckte sich nach ihm aus, gierig und unaufhaltsam. Gleich würde alles vorbei sein…
Schweißgebadet und kreidebleich schrak er hoch. In seinem Gesicht spiegelte sich pure Angst und blanke Verzweiflung wieder. Er hatte soeben geschrien, dass wusste er. Als er die Augen aufschlug, erkannte er sofort wo er war, in einem der weichen Betten der Krankenstation. Er fuhr sich übers Gesicht. Warum war er hier? Das Letzte woran er sich erinnerte, waren die Trainingsräume.
Ein leises Stöhnen ließ sein Herz für einen Moment schreckhaft höher springen. Kaithlyn lag mit dem Kopf zur rechten Seite von ihm am Bettrand und der Rest ihres Körpers hing noch halb auf einem Stuhl. Sie musste eingeschlafen sein und hielt mit einer ihrer Hände Kaines Handgelenk fest umklammert. Er spürte ihre Körperwärme.
Dumpfe Sonnenstrahlen, die sich durch die geschlossenen Vorhänge kämpften brachten ihr goldenes Haar zum glänzen und ihr Gesicht schimmerte rötlich. Es musste früh am morgen sein. Kaine beobachtete sie eine Weile und versuchte dann seine Hand langsam aus ihrer zu lösen. Was machte sie bloß hier? Hatte sie nichts Besseres zu tun? Sie murmelte etwas vor sich hin und regte sich. Verschlafen rieb sich Kaithlyn die Augen. „Kaine!“, stieß sie aufgeregt hervor und richtete sich auf. „Du bist wach! Geht es dir gut?!“, sprudelte es aus ihr heraus. Er nickte nur. Er erinnerte sich. Jetzt wanderte ihr Blick besorgt zu seinem Hals. „Er wollte dich töten!“, sagte sie ernst. „Razzu! Er wollte – “
„Wie kommst du darauf?“, sagte er und seine Stimme klang ungewohnt freundlich.
„Dieses Messer, es war eine Blauklinge, die sind tödlich giftig! Bei der richtigen Menge…dieser Mistkerl!“ Das hatte einer der Mercudiheiler ihr erzählt. Dann wurde sie ruhiger und sah ihn direkt an. „Du wusstest das, nicht wahr?“
Kaine seufzte. „Sein Training ist hart. Er nimmt öfters lautere Methoden, um seine Schüler zu motivieren, ihre Sinne zu schärfen und Reflexe auszuprägen. In einem echten Kampf wird einem auch nichts geschenkt. Er hätte mich nie getötet, höchstens betäubt. Ich hatte beim Kampf einfach Pech, dass ist alles.“
„Das ist alles?“, wiederholte Kaithlyn den Satz gequält. „Wie kannst du nur so etwas sagen?“
„Nur so wird man besser.“
„Aber du hättest dich ernsthaft…nein, du wurdest ernsthaft verletzt!“
Sie schrie fast.
„Was geht es dich an?“ Kaine stand auf. „Misch dich nicht immer überall ein.“
„Du hast im Schlaf gesprochen. Wer ist Reverie?“, fragte Kaithlyn, um das Thema zu wechseln. „Du hast ständig diesen Namen geflüstert. Reverie.“
Kaine wurde stocksteif und wie gelähmt vor Furcht. Der Name ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er biss sich solange auf die Lippe bis sie blutete.
„Kaine? Hör auf damit!“
„Nein! Du sollst aufhören, dich einzumischen!“, schrie er verbittert zurück und seine Augen glommen wütend auf. „Das geht dich alles nichts an. Steck deine Nase in andere Dinge und kümmere dich um Leute, dich sich für deine Hilfe interessieren.“
Kaithlyn trat erschrocken einen Schritt zurück. Ihr Herz schlug unglaublich schnell, sie hatte plötzlich Angst vor Kaine. „Ich hasse Menschen wie dich!“, fügte er noch aggressiver hinzu. „Menschen, die meinen mit allem und jeden Mitleid haben zu müssen.“
Er warf die Laken zurück, sprang aus dem Bett. Hinter ihm fiel die Tür laut ins Schloss. Kaine rannte durch
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