Herz des Winters (German Edition)
hergebracht?“
Daena dachte an Wände voller Schädel, kalte Feuer und Spenderobjekte. Andererseits hatte sie von all dem nichts gewusst, bevor sie losgezogen waren. Schließlich gab sie die einzige Antwort, die sie als wahr empfand: „Nicht ohne dich vorher gründlich ausgefragt zu haben. Und nicht ohne einen triftigen Grund.“
Berekh wandte ihr das noch immer verhüllte Gesicht zu. „Ein Leben kann nur mit einem Leben gekauft werden, Daena. Und welche Schmerzen das Nachwachsen von Fleisch und Nerven bereitet, solltest du lieber nie erfahren wollen. Denkst du, ich würde das alles auf mich nehmen ohne einen triftigen Grund?“
„Ein Leben …“ Der Gedanke erschien ihr zu ungeheuerlich, um ihn vollständig fassen zu können.
Berekh verzog das Gesicht, als hätte er einen Schlag einstecken müssen.
„Ich weiß nicht, wessen. Ich bin nicht sicher, ob es dadurch leichter oder schwerer zu ertragen ist. Bei all dem Sterben, das ich verursacht habe, sollte ein einziger weiterer Tod mich wahrscheinlich nicht weiter belasten. Aber er tut es. Ich kann keinen Fuß in diese Welt setzen, ohne erneut meinen Weg mit Leichen zu pflastern.“
Als Daena bestürzt schwieg, fuhr er fort: „Du weißt genau, dass ich nicht wieder ein Mensch sein wollte. Nicht aus Angst vor einem weiteren Fehlschlag. Zu meiner Zeit war Nekromantie verfolgt. Diejenigen, die sich finden ließen, waren nicht gerade die Erfahrensten und Erfolgreichsten. Dieser Umstand hat sich mittlerweile geändert.“
„Warum hast du es dann getan? Warum jetzt?“, fragte sie, nun schon merklich sanfter.
Er bat sie, ein Lagerfeuer zu errichten, und erst da fiel ihr das Zittern seiner bleichen Hände auf. Als das Feuer stabil brannte, setzte sie sich an seine Seite.
„Du hattest Recht damit, dass dies kein gewöhnlicher Krieg ist. Ebenso damit, dass ich etwas bewirken könnte. Versteh mich nicht falsch“, warf er mit bitterem Ton ein, „ich habe nicht vor, mich mit Fanfaren und Trompeten in die Schlacht zu stürzen. Aber um an die Gilde der Magier heranzukommen, braucht ihr einen Magier. Befrag mich bloß nicht zu diesem Paradoxon!“
Zum ersten Mal, seit sie in die Nähe des Sumpfes gekommen waren, klang Berekh wieder ein wenig nach sich selbst. Daena war so erleichtert darüber, dass sich trotz der Umstände ein Lächeln auf ihre Lippen stahl.
„Jedenfalls“, erläuterte er mit einem theatralischen Seufzen, „habe ich beschlossen, dass ich mich nicht länger untätig herumtragen lassen kann. Nur mit meinen guten Ratschlägen kommst du ja offensichtlich nicht weit.“
Ja, das klang bereits wieder zu sehr nach dem alten Berekh. Daena streckte ihm die Zunge entgegen, was nun ihn zum Lachen brachte.
„Weißt du, dass ich verdammte Angst hatte, mit dem Fleisch würde sich mein altes Ich wieder um mich legen wie ein Fluch? Es tut gut zu sehen, dass dem nicht so ist.“
Erschüttert schüttelte Daena den Kopf. Sie hatte Berekh zwar oft Feigheit unterstellt, aber nie wirkliche Furcht darin gesehen. Ehe sie sich der Bewegung bewusst war, legte sie eine Hand tröstend auf seinen Unterarm. Sie fühlte ihn zusammenzucken und zog sie rasch zurück, doch seine Finger umschlangen ihre und hielten sie fest.
„Es ist ein seltsames Gefühl, nach all der Zeit … eine Berührung zu spüren.“ Er drehte ihre Hand in seiner hin und her, als würde er nach dem Funken der Magie suchen, die diesen Kontakt möglich machte. Innerlich verkrampfte Daena, als seine Fingerkuppen über ihre zahlreichen Narben strichen, doch sie entzog sich seiner Untersuchung nicht. Schließlich gab er sie wieder frei.
„Danke.“
„Nach all dem, was ich mit dir durchgemacht habe, bedankst du dich ausgerechnet dafür?“
Einen Moment lang sah er sie stutzig an, dann brachen sie beide in Gelächter aus, bis er sich die Seite halten musste. Keiner von ihnen wollte zugeben, dass das Lachen nur die Schrecken der vergangenen Stunden vertreiben sollte, doch es half Wunder.
***
Schweigend nahmen sie ein karges Mahl ein, das aus Daenas geschrumpften Vorräten bestand, und machten sich daran, aus Mänteln und Decken, so gut es eben ging, ein Lager zu errichten. Da Berekh von den Nekromanten scheinbar nichts mitbekommen hatte außer den Kleidern, die er am Leib trug, musste Daenas Ausrüstung für sie beide genügen.
Als klar wurde, dass sie sich eine Decke würden teilen müssen, stemmte Daena die Hände in die Hüften. „Also weißt du, ich schlafe doch nicht bei einem Fremden! Es wird
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