Herz des Winters (German Edition)
Zeit, dass du diese dumme Kapuze abnimmst.“
Berekh erstarrte mitten in der Bewegung. Langsam drehte er sich in Richtung der Glut und trat so nah an Daena, dass sie den Kopf heben musste, um ihn anzusehen. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, wie groß er war. Eindeutig nichts mehr, das in ihre Tasche passen könnte.
„Glaubst du wirklich, dass du das willst?“, knurrte er. „Die Regeneration ist noch nicht abgeschlossen. Mich wundert, dass sie so viel in so kurzer Zeit geschafft haben. Der Anblick ist also nicht gerade erfreulich.“ Sein missmutiger Ton machte klar, dass er Daenas Antwort bereits erahnte.
„Ich habe dich als blanken Knochen gesehen, wie viel schlimmer kann es jetzt sein?“, scherzte sie und griff nach der Kapuze. Er wich zurück und hob den Stoff selbst an.
Der Anblick war keineswegs erfreulich. Aber auch nicht so erschreckend wie manches, das Daena in den Minen gesehen hatte. Sie erkannte seine Augen wieder, die zwar in tiefen Höhlen lagen, doch in derselben grünen Farbe blitzten, die sein Glühen gehabt hatte. Damit jedoch endete die Ähnlichkeit. Glatte, neu erschaffene Haut bedeckte ein hageres, ausgezehrtes Gesicht, das kein einziges Haar trug. Augenbrauen, Bart und Haare fehlten vollkommen. Die Muskeln, die durch die noch viel zu dünne Haut sichtbar waren, machten die fehlenden Kontraste aber wieder wett.
Ihn so sehend wunderte es Daena, dass er die Kraft gehabt hatte, den ganzen Sumpf zu durchquerend, noch dazu mit ihr als Ballast. Doch sie brachte ein Lächeln zustande.
„Ein paar ordentliche Mahlzeiten, und das wird schon wieder. Du hast wohl nicht zufällig ein paar ordentliche Mahlzeiten unter deiner Kutte versteckt?“
Grummelnd und schimpfend zog er die Kapuze wieder über den Kopf und kroch unter die Decke.
„Berekh?“ Daena kuschelte sich neben ihn.
„Hmmmm.“
„Ich habe immer noch Fragen.“
„Warum überrascht mich das nicht … Schlaf einfach.“
„Ich kann so nicht schlafen.“
„Mach die Augen zu, dann geht das schon.“
„Berekh ...“
„Hmmm!“
„Eine Frage nur.“
„Versprichst du, dass du mich dann schlafen lässt?“
„Versprochen.“
„Dann frag.“
„So wie diese Kraja dich angesehen hat … Hattet ihr einmal etwas miteinander?“
Drei Sekunden lang herrschte Schweigen. Dann: „Schlaf.“
„Aber ...“
„Schlaf, oder mir rutscht heraus, dass ich das mit der Unberührtheit nicht vergessen habe.“
Daena klappte augenblicklich den Mund wieder zu. In der Stille der Nacht und umschwirrt von einigen kälteresistenten Sumpfstechmücken schlief Berekh mit einem breiten Grinsen ein, das sich nicht nur auf sein Gebiss, sondern auch auf seine Lippen erstreckte.
4
Zu Daenas Verdruss kamen sie zu zweit wesentlich langsamer voran, da sich Berekhs Muskeln zwar immer mehr regenerierten, ihm aber dennoch jegliche Kondition fehlte. Was auch bedeutete, dass er keine Luft vergeuden wollte, indem er ihre Fragen beantwortete.
Also stapfte sie missmutig entweder schweigend an seiner Seite oder allein auf Pirsch durch das Unterholz. Dabei scheuchte sie das Wild zwar mehr auf als ordentlich zu jagen, aber immerhin fanden sich so zwei Hasen für einen Mittagsbraten.
Während sie sich das Fett von den Fingern leckten, packte sie die Gelegenheit beim Schopf.
„Wenn wir nach Westen gehen würden, könnten wir vielleicht in einem der Dörfer ein Reittier bekommen. Nicht gerade ein Schlachtross, aber ein Muli oder eine Mähre könnte uns schon weiterhelfen, wir würden die verlorene Zeit schnell wieder einholen …“
Berekh schüttelte jedoch den Kopf und trat mit dem Fuß Erde über das Feuer. „Ein Pferd kann uns nicht nach Liannon bringen“, erklärte er im Aufstehen. „Wie schnell wir vorankommen, hängt nicht davon ab, ob wir zu Fuß oder beritten unterwegs sind, sondern davon, wie schnell ich mich regeneriere. Ich denke, drei Tage sind realistisch.“
Daena sah ihn entgeistert an. „Sollte dein Gerede gerade irgendeinen Sinn ergeben?“
Er schulterte nur den Anteil an Gepäck, den Daena ihm zugeteilt hatte, und marschierte los. Sie musste ihm nacheilen, um seine Antwort nicht zu verpassen.
„Wir benötigen Magie, um zur Arkangilde zu gelangen. Wie weit wir gehen, bis ich sie einsetzen kann, beeinflusst dabei nichts. Aber die Distanz zu den Nekromanten möchte ich so weit wie möglich vergrößern, und deshalb gehen wir.“
„Großartig. Also holen wir uns Blasen an den Füßen, weil du deine kleine Freundin nicht mehr sehen
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